Erste Reaktionen und Verhandlungen ermutigend: WoZ wird «Weltwoche» retten!

+++ Swissfirst und Investoren entgegnen WoZ-Vorschlag +++ Erster Investor erwägt WoZ-«Weltwoche»-Fusion +++ Öffentlichkeit von Rettungsplan begeistert +++ Chaos bei Jean Frey AG +++

Geehrte WoZ-LeserInnen, letzte Woche lancierte die WoZ das vielleicht freundlichste Übernahmeangebot der Schweizer Mediengeschichte. In drei Punkten zusammengefasst lautete es wie folgt: 1. Die gesunde WoZ übernimmt gegen 50 Millionen Franken, zu zahlen von den InvestorInnen der Jean Frey AG, die krisengeschüttelte «Weltwoche». 2. Die von den Defiziten der «Weltwoche» befreite Jean Frey AG ist schlagartig rentabel. 3. Die WoZ saniert die «Weltwoche» und entlässt sie nach fünf Jahren in die Selbständigkeit.

Seitdem haben sich die Ereignisse überstürzt. Spekulationen, Ratschläge, Gratulationen, Presseverlautbarungen, Gerüchte, Verhandlungen und eine Hiobsbotschaft bei Jean Frey – Neuigkeiten folgten sich in fast stündlichem Tempo. Wir hatten nichts anderes erwartet. Sturm und Nebel sind die übliche Wetterlage im Vorfeld einer Firmenübernahme. Zu unserer Freude sind die meisten Neuigkeiten hervorragend.

1. WoZ-Umfeld erstaunlich optimistisch

Wir haben letzten Donnerstag nichts geschönt: Die geplante Übernahme der «Weltwoche» stellt für die WoZ ein enormes Risiko dar. Immerhin steckt die «Weltwoche» seit fünfzehn Jahren in der Krise: finanziell wie publizistisch. Auf die WoZ wartet einer der komplexesten Turnarounds der Mediengeschichte.

Umso erstaunter waren wir über die Reaktion unserer LeserInnenschaft sowie unserer GeschäftspartnerInnen: Dutzende von Anrufen und Mails erreichten uns – alle waren durch die Bank weg ermutigend. AbonnentInnen und Medienprofis unterschieden sich nicht einmal im Ton: Sie reichten von «stolz, bei so einer Zeitung arbeiten zu können» (freier Mitarbeiter) über «habe grossen Spass» (Abonnentin), «frisch und unerwartet» (ein ehemaliger «Werber des Jahres»), «unterstütze die WoZ bei der Übernahme» (Neuabonnent) bis «Ich möchte das abgedroschene Wort 'sexy' nicht verwenden, aber ...» (der Chef einer der mächtigsten Media-Agenturen). Wir schwören: kein einziges Wort der Kritik, keine einzige Mahnung zur unternehmerischen Vorsicht. Stattdessen neue AbonnentInnen, Anträge von Werbeagenturen, zukünftig für uns zu arbeiten, freie Drinks für WoZ-RedaktorInnen.

Wir dachten im Vorfeld, wir machen einen seriösen, aber kühnen Vorschlag. Nun stellen wir fest, dass wir eine noch kühnere Inserenten-, Mitarbeiter- und LeserInnenschaft haben: sorgloser und mutiger als wir selbst. Dank an Sie alle, Business-Löwenherzen. Es ist eine Freude, für Sie eine Zeitung und Take-over-Pläne zu machen.

2. Die Reaktion der Presse

«'Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!', rief Zwingli seinen Anhängern zu. Gehört wurde er von der WochenZeitung WoZ ...» – mit diesen Worten begann der abendliche Kommentar im News-Ticker der «Werbewoche». Der WoZ-Übernahmecoup fand ein befriedigendes und lobendes Echo in der Presse – von «Blick» bis «Tages-Anzeiger», von «persoenlich.com» bis «Echo der Zeit», von «Tele Züri» bis zu einem verdienten Einzeiler im Wirtschaftsteil der «Neuen Zürcher Zeitung». Problematisch am Echo war allerdings das Lob. Denn gefeiert wurde: der Witz, die Idee, das Design, die Werbewirksamkeit.

Danke für die Blumen, KollegInnen. Doch bei dem Übernahmeangebot handelt es sich mitnichten primär um eine Werbekampagne für die WoZ. Sondern zunächst um einen Rettungsplan für die «Weltwoche». Am klarsten erkannte dies in seinem ausgezeichneten Kommentar der Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts», Gottlieb F. Höpli, der von einem Sanierungsplan sprach, «der nicht nur finanziell, sondern auch publizistisch überzeugt».

Vielleicht war es unser Fehler, dass wir den Werbeeffekt nicht vernachlässigt haben: Aber zum Ersten macht man nicht täglich eine Zeitungsübernahme. Zum Zweiten setzt die WoZ aus aufmerksamkeitsökonomischen und -ökologischen Gründen auf Effizienz. Wozu die Leute mit Plakaten wie «WoZ macht Sie interessant» oder «Kluge Köpfe lesen WoZ» totschlagen, wenn sich das Gleiche auch billiger, schneller und amüsanter erledigen lässt?

Nicht zuletzt ist unsere Effizienz das entscheidende Argument, warum die WoZ die «Weltwoche» retten kann. Unser Jahresbudget beträgt drei bis vier Millionen Franken, das Budget der «Weltwoche» liegt rund fünfmal so hoch. Und niemand kann behaupten, dass die WoZ das uninteressantere von beiden Blättern ist. Eine aufregende, relevante Zeitung ist nicht nur eine Frage des Budgets, sondern auch eine des Kopfes und des Herzens.

Aber eben auch eine Frage des Budgets. Und deshalb zum Stand der Verhandlungen:

3. Versuchsballon der Swissfirst

Auf erstes Interesse stiess der WoZ-Rettungsplan bei Swissfirst, der für den «Jean Frey»-Verkauf zuständigen Bank. Per «Zuger Presse» präsentierte ihr CEO Thomas Matter einen Gegenvorschlag: «Sollte die WoZ 50 Millionen aufbringen, geben wir die 'Weltwoche' für 45 Millionen ab und spenden fünf Millionen an den WWF.»

Darauf folgende Gespräche ergaben folgende Positionen: Thomas Matter hielt fest, die WoZ sei als Käuferin willkommen, während die WoZ dagegenhielt, dass sie sich weniger als Käuferin denn als Problemlöserin betrachte. Den Preis von 50 Millionen bezeichnete die WoZ als klar überrissen. Angemessen sei ein Honorar von 50 Millionen Franken.

Zieht man in Rechnung, dass bis jetzt drei Grossverlage bei der «Weltwoche» «gravierende» Probleme festgestellt haben, dass selbst die Schliessungskosten 30 Millionen Franken plus betragen, lässt sich nur eins sagen: Das Angebot der WoZ ist weit realistischer als das der Swissfirst.

Aber – um zum Positiven zu kommen – es ist ein Anfang. Swissfirst hat immerhin die Absicht eines Einzelverkaufs der «Weltwoche» klar signalisiert. «Unsere Forderung von 50 Millionen ist nicht sakrosankt» – so der Buchhalter und WoZ-CFO Christoph Kaufmann, «über Zahlen lässt sich immer reden. Zwischen plus 50 Millionen bis minus 50 Millionen liegt mathematisch gesehen nur ein Federstrich.»

Dem Angebot von weiteren Verhandlungen schloss sich auch Thomas Matter an: «In Sachen 'Weltwoche' ist prinzipiell alles möglich.»

4. Investor erwägt Fusion

Weit intensiver liefen erste Sondierungsgespräche mit dem einzigen bis anhin bekannten Investorenvertreter, Walter Bosch. Dieser ist Mitbesitzer des TV-Senders «Star TV», Ex-Ringier-Kader, Ex-Werber und Verlagsprofi.

«Der WoZ-Vorschlag ist nicht unrealistisch und weit sinnvoller, als man gemeinhin annimmt», so Bosch. «Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die 'Weltwoche' nicht bis anhin zu aufwendig gemacht wurde. Und ob dies per Outsourcing an die WoZ nicht tatsächlich besser klappen könnte. Der Nachteil dabei ist vor allem, dass Jean Frey bereits ein relativ kleiner Verlag ist und mit dem Abschied der 'Weltwoche' noch einmal an Substanz verliert.»

Bosch selbst vertritt eine noch ungenannte «europäische Beteiligungsgesellschaft», die mindestens «eine starke Minderheit» an der Jean Frey AG erwerben will. «Fünf bis zehn Prozent interessiert uns überhaupt nicht.» Man müsse Einfluss nehmen können: «Jean Frey muss professionell geführt werden.» Die erste Massnahme zur Besserung sei primär «die Reduzierung der extrem hohen 'Weltwoche'-Verluste», die zweite Wachstum durch Akquisitionen.

Gelänge Stufe 1 des Plans, könnte sich Bosch durchaus auch einen Zukauf der WoZ vorstellen – misslänge die «Weltwoche»-Sanierung, so würde er sich sofort mit der WoZ an den Tisch setzen, um beispielsweise eine Fusion «Weltwoche»-WoZ ins Auge zu fassen. Oder eben die Übernahmeverhandlungen in die andere Richtung zu führen. Die WoZ sei ja momentan gut in Form.

5. Chaos bei Jean Frey AG

Derweil hat sich die Lage bei Jean Frey Besorgnis erregend verschlechtert: Das Unternehmen erschüttern Intrigen und zweifelhafte Entscheide und eine in der Schweizer Verlagszene noch nie gesehene Meuterei. So desavouierte der CEO von Swissfirst, Thomas Matter, den CEO von Jean Frey, Filippo Leutenegger, mit den Sätzen: «Er kennt zwar die Branche, doch bringt er keine Verlagserfahrung mit. Eine idealere Lösung war nicht zu finden.»

Währenddessen wurde per Pressefax überstürzt die Neulancierung des «Weltwoche»-Magazins auf 8. Mai bekannt gegeben. Bosch dazu: «Ich weiss nicht, ob dieser Entscheid richtig oder falsch ist. Problematisch ist, dass er ein Präjudiz für die Investoren darstellt. Wie gesagt, wäre eine Reduktion des Titels vielleicht weit angebrachter.»

Dazu kommt eine Meuterei im einzigen rentablen Titel des Unternehmens: Die «Beobachter»-Redaktion in corpore droht mit Massenkündigung und verlangt in einem offenen Brief ihren Wechsel zu «einem echten Verlag» – zu Ringier. (Warum dies für Jean Frey eine Katastrophe ist – siehe hier. )

6. Freude plus Skepsis bei «Weltwoche»

Noch am Abend des Übernahme-Angebots traf ein WoZ-Redaktor anlässlich der «Havanna»-Premiere auf den CEO von Jean Frey, Filippo Leutenegger. «Filippo», freute sich der Redaktor. «Wir arbeiten bald im gleichen Unternehmen!» – «Wird schon sein ...», erwiderte Leutenegger. Der Redaktor: «Es wird grossartig sein!» – «Ja», erwiderte Leutenegger und wendete sich ab.

Hin- und hergerissen zwischen berechtigter Hoffnung und unnötigem Misstrauen reagierte auch die übrige «Weltwoche»-Crew. Es gab öffentlich eisige, privat aber extrem herzliche Begrüssungen zwischen WoZ und «Weltwoche». Auch die Mails schwankten zwischen Jubel und Unverständnis.

Besonders gefreut haben uns vor allem die vielen herzlichen Reaktionen aus dem tapferen «Weltwoche»-Verlag, der unter so schwierigen Umständen so hervorragende Arbeit leistet. Danke, ihr seid grossartige Leute. Euer und das Schicksal der «Weltwoche»-RedaktorInnen ist uns nicht egal, sondern eine Verpflichtung: intensiv weiterzuverhandeln und – bei genügend viel Abonnenten – so viel «Weltwoche»-MitarbeiterInnen an Bord nehmen zu können, wie wir können. «Think the unthinkable», heisst das Motto des Jean-Frey-Verwaltungsratspräsidenten Guido Richterich. Zu Recht. Auch wenn wir nur das denkbar Beste verlangen.

Denn die Zukunft gehört umsichtigen Investoren (wie Walter Bosch), mutigen RedaktorInnen (wie die des «Beobachters»), utopistisch angehauchten Finanzleuten (wie Thomas Matter) und last, not least dem intelligenten Wochenjournalismus. Also der WoZ. Und der «Weltwoche».