Frag die WOZ : Was bedeutet die E-ID für Sans-Papiers?

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Was bedeutet die E-ID konkret für Sans-Papiers? Werden sie dadurch nicht noch stärker marginalisiert, oder übersehe ich etwas?

N. R. via Mail

Das sind sehr gute Fragen!

Und sie sind in der Tat in der politischen Diskussion bisher unterbeleuchtet. Selbst bei der Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich (Spaz), unserer Vertrauensfachstelle für derartige Auskünfte, hat man sich bis zu unserer Anfrage nicht mit dem Thema beschäftigt. Gemäss dem Gesetz über die E-ID, Artikel 14, ist die Sachlage klar: Eine elektronische Identität erhält, wer einen gültigen Schweizer Pass hat – oder wer über einen gültigen Ausländerausweis verfügt. Sans-Papiers werden nach dieser Regelung also auch keine E-ID erhalten. Die Schlussfolgerung bei der Spaz: Was im analogen Alltag für Sans-Papiers der Fall ist, wird demnach auch im digitalen Raum gelten: «Je häufiger eine Offenlegung der Identität verlangt wird, desto ausschliessender ist das für Sans-Papiers.» 

Das bestätigt auch der grüne Nationalrat Gerhard Andrey, der die jetzige Umsetzung der E-ID politisch massgeblich mitgeprägt hat. Er betont aber: «Es wird an der Umsetzung liegen, dass es zu möglichst wenig einschränkenden Kontrollen kommen wird.» Und er fügt noch etwas Interessantes hinzu: dass die sogenannte Vertrauensinfrastruktur, die der Bund für den Betrieb der elektronischen Identität unterhält, auch für andere Ausweise genutzt werden kann, etwa für den Fahrausweis – oder inskünftig allenfalls auch für eine City Card, die progressive Städte wie Zürich für ihre undokumentierten Einwohner:innen einführen wollen. Auch eine solche könnte elektronisch ausgestaltet werden, ohne dass im Übrigen die Daten von den Gemeinden zum Bund gelangen.

Überhaupt lädt die elektronische Identität zu Gedankenspielen ein. Wenn sie nämlich, fern der Sans-Papiers, für alle Menschen in der Schweiz mit einem gültigen Ausweis ausgestellt wird, dann sorgt sie auch für eine formale Vereinheitlichung. Ob jemand einen Schweizer Pass hat oder als Asylsuchende bloss einen Ausweis N: Plötzlich haben alle formal die gleiche Identität. Das ändert natürlich nichts an den rechtlichen Einschränkungen, die Menschen mit einem prekarisierten Aufenthaltsstatus täglich erleben. Aber sie müssen zum Beispiel bei einer Alterskontrolle beim Alkoholkauf nicht mehr ihren Aufenthaltsausweis oder eine Identitätskarte zeigen – sondern können bloss das Alter mittels E-ID angeben. Eine Identität, die nicht dauernd auf die Staatsbürgerschaft rekurriert: Das tönt doch nach einer besseren Zukunft.

Um aber zum Anfang zurückzukommen. Die Frage, ob eine E-ID für Sans-Papiers sinnvoll ist oder nicht, lässt sowieso nur eine Antwort zu: Sans-Papiers regularisieren!

Immer montags beantworten wir in der Rubrik «Frag die WOZ» jeweils eine wirklich (un)wichtige Leser:innenfrage. Noch Fragen? fragdiewoz@woz.ch!