Kosovo lässt grüssen

Dieses Mal hat es Vladimir Meciar, der Meister des politischen Comebacks, nicht geschafft. Der Expremierminister und ehemalige Boxer unterlag in der zweiten Runde klar Robert Schuster, dem Kandidaten der Regierungskoalition. Damit ging ein Wahlkampf zu Ende, der ganz im Banne von Meciars Versuch stand, erneut eine zentrale Machtstelle zu erobern. Nachdem seine nationalpopulistische Partei «Bewegung für eine demokratische Slowakei» die Parlamentswahlen vom letzten September verloren hatte, war er praktisch von der politischen Bühne verschwunden. Umso überraschender kam dann Anfang April seine Kandidatur für die Präsidentschaft. Wie weiland Polens Lech Walesa erklärte er den Journalisten, diese sei «unabdingbar» geworden.

Der bunt zusammen gewürfelten Regierungskoalition aus gemässigt rechten und eher linken Parteien ist es zwar gelungen, diverse demokratische Mängel des alten Regimes zu beseitigen. Im wirtschaftlich-sozialen Bereich war sie aber immer mehr unter Druck geraten, nachdem sie einen harten Sparkurs eingeschlagen hatte, um die kritische Wirtschaftslage in den Griff zu bekommen. Zwar war das Wachstum im letzten Jahr mit über 4 Prozent noch recht beachtlich ausgefallen, aber Strukturmängel und die wahltaktisch orientierte Wirtschaftspolitik des damals noch regierenden Meciar hatten das Staatsdefizit auf über 6 Prozent des Sozialproduktes anschwellen lassen, das Zahlungsbilanzdefizit sogar auf über 10 Prozent. So geriet die Währung massiv unter Druck, und das trieb die Zinsen in die Höhe. Davon wurden die bereits in einer desolaten Situation steckenden Unternehmen arg in Mitleidenschaft gezogen – nach Angaben des Finanzministeriums müsste rund die Hälfte eigentlich den Bankrott anmelden. Die Arbeitslosigkeit stieg denn auch unter der neuen Regierung deutlich an, von 14 Prozent im letzten Oktober auf bald schon 20 Prozent. Noch bringt die Bevölkerung mehrheitlich ein gewisses Verständnis für harte Reformschritte auf, doch die Zahl derjenigen, denen die Geduld ausgeht, wächst. Selbst in den zwei Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang zur Präsidentschaft musste die Regierung weitere Preiserhöhungen und Sparmassnahmen ankündigen – sehr zur Genugtuung Meciars, der sich als Verteidiger der «kleinen Leute» aufspielte.
Dass der Expremier erneut nach der Macht griff, hatte auch einiges mit den Nato-Bombardierungen zu tun. Er konnte sich nämlich ausrechnen, von der grossen Kluft zwischen Regierungshaltung und Volksmeinung profitieren zu können. Die herrschende Koalition unterstützte in ihrem Bemühen um eine möglichst schnelle Wiederannäherung an den Westen die Nato-Intervention, rund drei Viertel der Bevölkerung hingegen sprachen sich in Umfragen gegen den Krieg aus, eine der höchsten Ablehnungsraten in Osteuropa. Zwar ist eine Mehrheit um der eigenen Sicherheit willen seit einiger Zeit für einen Nato-Beitritt der Slowakei, militärische Interventionen stossen jedoch vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte auf grosse Skepsis. Das erklärt auch die vergleichbar deutliche Ablehnung des Krieges im neuen Nato-Land Tschechien. Die Stimmung in der Slowakei hatte Vladimir Meciar für seine Kandidatur zu nutzen versucht. So lud er etwa anlässlich seiner Wahlkampferöffnung mit einem leichten Anflug von Ironie Milosevic zur Erholung auf eine Jagdexpedition in die Slowakei ein. Doch vor allem in den Städten wurde ihm trotz aller Kritik an der Regierungskoalition eine Abfuhr erteilt. Der prowestlich eingestellte Schuster gewann sogar deutlicher, als es die Umfragen vorausgesagt hatten. Gegen einen Präsidenten Meciar wird sicher auch die Sorge vor einer wechselseitigen Lähmung der wichtigen Staatsinstitutionen gesprochen haben, die bereits seine Amtszeit als Premier kennzeichnete. Dagegen kann die Regierungskoalition den Sieg ihres Kandidaten nur beschänkt auch als Zustimmung zu ihrer Politik nehmen. Dazu sind die wirtschaftlichen Aussichten weiterhin zu schlecht, dazu ist auch die von der Regierung verbreitete Annahme, das Land werde Ende Jahr noch zu den fünf EU-Beitrittskandidaten aufschliessen können, zu offensichtlich Wunschdenken.