Palästina: Die Folgen der Abriegelung: Täglich 10 Millionen Dollar Lohnausfall

Ausnahmezustand in Palästina: Sogar das Büro des «Spezialkoordinators für die besetzten Gebiete» der Uno (Unsco), das seit Jahren die wirtschaftliche Entwicklung des werdenden Staates beobachtet und kommentiert, weicht vom gewohnten Turnus ab. Die Lage ist derart dramatisch, dass die Unsco, die sonst vierteljährlich ihre Berichte veröffentlicht, einen ausserordentlichen Report über die wirtschaftlichen Folgen der ersten zwei Monate der neuen Intifada vorlegt.

Wirtschaftlich sind die teilautonomen palästinensischen Gebiete in der Westbank und im Gazastreifen vollständig von Israel abhängig. Eine Zollunion mit Israel und der Gebrauch des israelischen Schekels als Währung erlauben keine eigene Finanz- und Geldpolitik. Die Grenzen werden von Israel kontrolliert. Vor Beginn der neuen Intifada arbeiteten rund 125000 Palästinenser als Tagelöhner in Israel, das sind fast ein Viertel aller Palästinenser, die Arbeit haben oder suchen.

Entsprechend schnell und heftig wirken die israelischen Repressionsmassnahmen. Die teilweise oder vollständige Abriegelung der palästinensischen Gebiete hindert Tag für Tag etwa 110000 Palästinenser an der Arbeit in Israel und liess die Arbeitslosenrate innert Tagen von unter elf Prozent auf knapp dreissig Prozent steigen. Sie wird jetzt auf mindestens vierzig Prozent geschätzt. Die palästinensische Binnenwirtschaft leidet ebenfalls unter den Abriegelungen. Die Verbindung zwischen der Westbank und Gaza ist seit dem 6. Oktober 2000 unterbrochen, einzelne Gebiete sind völlig abgeriegelt und teilweise unter Ausgehverbot, Strassenverbindungen sind blockiert. BäuerInnen, HändlerInnen und Geschäftsleute können ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen. Palästinensische Güter bleiben in israelischen Lagerhäusern und Häfen liegen oder werden absichtlich zurückgehalten.

Die Unsco schätzt den zwischen dem 28. September und dem 26. November entstandenen palästinensischen Einkommensverlust auf rund 505 Millionen Dollar, oder rund 10 Millionen Dollar täglich. Zum Vergleich: die Auszahlung internationaler Hilfsgelder erreichte im ersten Halbjahr 2000 gerade mal 183 Millionen Dollar. Zurzeit sind etwa 260000 Menschen ohne Arbeit, deren jetzt ausbleibender Lohn normalerweise das Leben von vier anderen Menschen mitfinanziert. So ging der Konsum deutlich zurück, Anschaffungen werden zurückgestellt und Ersparnisse für den Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs verwendet.

Die Abriegelungen sind noch lange nicht zu Ende. Sollten sie nur schon bis Ende Jahr in gleichem Masse andauern, rechnet die Unsco damit, dass dann jeder und jede Dritte in Armut leben wird. Also die Hälfte mehr als noch vor drei Monaten.