Queen Elizabeth II (1926–2022): Die Beständige

Nr. 37 –

Queen Elizabeth II war eine der bekanntesten Frauen und Projektionsfläche für die ganze Welt.

Sie ist nicht mehr. Was sich manche bei der Frau, die länger auf dem englischen Thron sass, als viele Menschen leben, schon nicht mehr vorstellen konnten, trat nun doch noch ein: Elizabeth II verstarb. Zur genauen Todesursache schweige das Königshaus, hiess es, doch die medizinaffine Presse diagnostizierte bei der Verstorbenen anhand letzter Fotos eine periphere Gefässerkrankung, die ein multiples Organversagen zur Folge gehabt habe. Die dumpfen Zeiten, da man einen Tod mit 96 Jahren auf Altersschwäche zurückführte, scheinen endgültig vorbei.

Monarchien sind Anachronismen, auch wenn es nur parlamentarische sind. Da leisten sich Staaten Schlösser mit adligen Be­woh­ner:in­nen, deren Legitimation einzig auf Blutsverwandtschaft gründet und die auf die Geschicke des Landes kaum Einfluss haben. Im besten Fall sind sie Integrationsfiguren, deren Kernkompetenz im Repräsentieren vor pompösem Hintergrund besteht. Und der Pomp, den sich das britische Königshaus leistet, ist exorbitant.

Auch Elizabeth II war ein lebender Anachronismus. Königin wurde sie früh, denn ihr Vater, George VI, erlag mit 56 Jahren einer Thrombose, weil ihm das Rauchen offenbar schlechter bekam als der royalen Kettenraucherin Margarethe von Dänemark, die auch mit 82 noch recht munter wirkt.

Ambiente im Empire

So wurde Elizabeth 26-jährig zum Oberhaupt des Vereinigten Königreichs und des Commonwealth, was damals auch die ehemaligen und noch bestehenden Kolonien des British Empire umfasste. Als sie 1952 die Nachricht vom Tod ihres Vaters erreichte, reiste sie gerade mit ihrem Gatten durch Kenia, wo die britische Kolonialverwaltung wenige Monate später den blutigen Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung der Bevölkerung verschärfte. Im lauschigen Ambiente der «Treetops Lodge», in der das junge Paar nächtigte, war davon nichts zu spüren.

Die Regierungszeit Elizabeths II umfasst eine historisch dichte Epoche, doch fast alles, was in den Medien zum 70. Thronjubiläum und jetzt verhandelt wurde und wird, bezieht sich auf Privates. Und im gleichen Masse, wie das britische Königshaus versucht, sein Privatleben unterm Deckel zu halten, kocht die Gerüchteküche genüsslich weich, was nach aussen dringt.

Der Pomp, den sich das britische Königshaus leistet, ist exorbitant.

Eigentlich hatte Elizabeth eine Familie wie viele andere: Sie war verheiratet und hatte mit ihrem Mann vier unterschiedlich wohlgeratene Kinder. Was in «normalen» Familien vielleicht mal zu Besuchen bei psychotherapeutischen Fachpersonen oder Schei­dungs­an­wält:in­nen führt, wurde bei den Royals zum Staatsereignis. Charles, der Älteste, hatte eine aussereheliche Affäre, die er nach seiner Scheidung und dem tragischen Tod seiner Ex, Prinzessin Diana, doch noch heiratete. Der tödliche Unfall von Elizabeths Schwiegertochter brachte die Monarchie fast ins Wanken, weil es der Queen zunächst nicht gelang, ihre Trauer – so sie denn welche empfand – gegen aussen angemessen zu zeigen. Doch das Geschehen inspirierte wenigstens das filmische Schaffen («Diana», 2013; «Spencer», 2021).

Auch Anne, die Zweitgeborene, litt unter ­einer unglücklichen ersten Ehe, erwies sich aber als weniger medientauglich als ihre Schwägerin Diana. Die beiden jüngsten Söhne, Andrew und Edward, fielen jahrelang gar nicht auf; dann musste die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass Andrew gute Beziehungen zum verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein pflegte. Unter Elizabeths Enkel- und Ur­en­kel:in­nen­schar machte vor allem Harry Schlagzeilen, zuerst durch einen etwas exzentrischen Lebensstil, dann durch die Heirat mit der afroamerikanischen Schauspielerin Meghan Markle.

Um ihre luxuriösen Lebensumstände zu rechtfertigen, ist die königliche Familie auf hohe Sympathiewerte angewiesen und pausenlos im Dienste der Wohltätigkeit unterwegs – abgesehen von Andrew, der nicht mehr darf, und Harry, der nicht mehr will. Immerhin soll Andrew jetzt den kurzbeinigen Corgis seiner verstorbenen Mutter ein neues Zuhause bieten.

Die Queen war in erster Linie Projektionsfläche, denn die Welt kennt nur vom Hof genehmigte Bilder oder – zum Teil sehr lustige – Parodien. Humor soll sie gehabt haben, und das Filmchen, in dem sie an der Seite von Daniel Craig als 007 einen Helikopter besteigt, um anscheinend mit ­einem Fallschirmsprung die Olympischen ­Spiele 2012 in London zu eröffnen, soll auch ihr selbst Spass gemacht haben.

Keine Entschuldigung

Queen Elizabeths grösstes Verdienst besteht in der Beständigkeit ihrer Amtszeit, die der britischen Bevölkerung den Eindruck vermittelte: Solange sie da ist, bricht das Land nicht zusammen, egal, wer gerade versucht, es in Grund und Boden zu regieren. Nun ertönt ein Heulen und Wehklagen, als hätten nicht nur ihre Kinder und Kindeskinder, sondern gleich alle Brit:in­nen ihre (Gross-)Mutter ­verloren.

Leider hat es Elizabeth II in siebzig Jahren aber nicht geschafft, sich gegenüber der Bevölkerung der ehemaligen Kolonien zu einer Entschuldigung durchzuringen, und so wird es auch unter Charles III bleiben. Zu gross sind die Befürchtungen bei Staat und Krone, das Einräumen einer Schuld könnte finanzielle Forderungen nach sich ziehen. Die Verstorbene wird dennoch in Frieden ruhen.