Auf allen Kanälen: Mit Herz und Schneid

Nr. 10 –

Wider die barbarische Moderne: Ein geschichtsrevisionistischer Historienfilm über den Vendée-Krieg sorgt in Frankreich für Aufsehen.

stilisiertes Foto: ein Reiter auf einem Pferd, welcher einen Degen in der Hand hält

«Vaincre ou mourir» macht dieser Tage in Frankreich von sich reden. Nicht wegen seiner künstlerischen Güte: Der bislang von über 300 000 Kinobesucher:innen gesehene Spielfilm von Paul Mignot und Vincent Mottez über den Vendée-Krieg (1793–1796) ist ein schwer verdaulicher Mix aus seekranken Schlachtszenen, hölzernen Dialogen und Laientheater mit Hollywood-Soundtrack. Von Interesse ist vielmehr, wer den Historienschinken produziert hat – und aus welchen Gründen.

Die Firma Puy du Fou Films, deren erste Produktion «Vaincre ou mourir» ist, ist eine 2021 gegründete Filiale von Puy du Fou, Frankreichs viertgrösstem Themenpark im Departement Vendée an der Atlantikküste. Der Themenpark wurde 1977 durch Philippe de Villiers ins Leben gerufen, einen Politiker, der Ämter auf der regionalen, nationalen und EU-Ebene bekleidet hat und zweimal für das höchste Staatsamt kandidierte. Der 73-Jährige vertritt europa- und migrationsfeindliche, katholisch-konservative Positionen; bei den letztjährigen Präsidentschaftswahlen unterstützte er den Rechtsextremen Éric Zemmour.

Der letzte Anführer

Kern des Puy du Fou sind zum einen nachgebaute Dörfer aus dem Mittelalter, dem 18. und 19. Jahrhundert, in denen kostümierte Statist:innen die Bewohner:innen spielen. Zum andern die seit 45 Jahren veranstalteten (Freiluft-)Spektakel, die, teilweise unter Mitwirkung Tausender Freiwilliger, Geschichten von Gladiatoren, Wikingern und Musketieren erzählen, vom Hundertjährigen Krieg – oder eben von der Guerre de Vendée.

«Vaincre et mourir» ist so einer Produktion aus dem Jahr 2016 nachempfunden, deren Held eine historische Figur ist: François de Charette. Der Marineoffizier war der letzte Anführer der aufständischen Vendéens, die aus Protest gegen die religiösen, wirtschaftlichen und politischen Massnahmen der Revolutionsregierungen ab 1791, vor allem jedoch wegen der Massenaushebung von Anfang 1793 gegen die Nationalgarde zu den Waffen griffen. Im Film ist das Vokabular der Royalisten klar konnotiert: Ehre, Treue, Schwur, Opfer, Blutzoll, Ehrenwort, reines Herz, gerechte Sache … Ihnen gegenüber steht eine bis auf zwei, drei Ausnahmen undifferenzierte Masse von revolutionären Kräften, deren Haupteigenschaften Heimtücke und Blutrünstigkeit sind.

Edelmann gegen Agenten

«Vaincre ou mourir» ist mithin weniger ein Spielfilm als ein kulturelles Mittel zum politischen Zweck. Der Film zeigt – wie viele Spektakel des Puy du Fou – den Überlebenskampf einer durch den christlichen Glauben geeinten traditionellen Gemeinschaft, die sich unter der Führung eines mit Herz und Schneid gesegneten Edelmanns gegen die Angriffe der gesichtslosen Agenten einer barbarischen Moderne zur Wehr setzt. Wer sich hier an die Tiraden von Puy-du-Fou-Gründer de Villiers erinnert fühlt, die wider die EU und die «transozeanischen» Eliten Europas und der USA ein ewiges Frankreich mit einem ethnisch homogenen Volk, einem römisch-katholischen Glauben und einem ungeteilten Machthaber bemühen, liegt genau richtig. Der Souveränist bekannte sich, als er 2017 auf eine dritte Präsidentschaftskandidatur verzichtete, zur neurechten Strategie der «Metapolitik»: Mit seinen Büchern und seinem Puy du Fou habe er viel mehr Wirkung erzielen können denn als blosser Politiker unter vielen.

Dabei wurde bereits belegt, dass das vom Puy du Fou propagierte Geschichtsbild so fragwürdig ist, wie die Echtheit des «Rings der Jungfrau von Orléans», der dort gleich einer Reliquie ausgestellt wird. So haben vier Historiker:innen 2022 dem Themenpark die 200-seitige Studie «Le Puy du Faux» gewidmet – ein Wortspiel: «Puy du Fou» heisst «Quell des Irren», «Puy du Faux» «Quell des Falschen». Der Themenpark schreibe einen «Nationalroman» fort, den im 19. Jahrhundert dem Ancien Régime nachhängende Autoren verfasst haben. Sein Diskurs sei antiuniversalistisch, antirepublikanisch, antiegalitaristisch und fremdenfeindlich. Zudem verhehle er die Unterdrückungsmechanismen, die gegen die unteren Klassen und gegen Frauen gerichtet waren (und zum Teil noch immer sind).

«Vaincre ou mourir» exemplifiziert diesen Befund. Das niedere Volk spielt darin fast durchwegs eine passive Rolle: Es betet oder kämpft unter der Führung «höherer» Autoritätsfiguren. Und Frauen? Die findet man wahlweise in einer von drei Funktionen: Mutter, Gattin oder Geliebte.