Banken-Crashs in den USA: Kalifornischer Albtraum

Nr. 11 –

Die Rettung der Silicon Valley Bank zeigt, dass sich die Politik weiter in Gefangenschaft der Finanzindustrie befindet.

Letzten Donnerstag ereignete sich der grösste Bankensturm in der US-Geschichte. Er zeigt, wie fragil die Finanzindustrie wirklich ist. Kund:innen der Silicon Valley Bank (SVB) haben innert eines Tages 42 Milliarden Dollar ihrer Guthaben abgehoben. In den sozialen Medien hatte sich zuvor herumgesprochen, dass die sechzehntgrösste Bank der USA in Schieflage geraten war. Und da man heutzutage per Handy sein Geld von einem Konto zum anderen bewegen kann, ging alles sehr schnell. Weit über eine Million Dollar pro Sekunde verschoben die Kund:innen weg von der SVB. Am Abend mussten die Behörden die Bank schliessen. Niemand hatte mehr Zugriff auf sein Konto.

Die SVB wurde in den 1980er Jahren gegründet. So richtig stark wuchs die Bank aber erst nach der Finanzkrise von 2008. Sie profitierte vom billigen Geld der US-Zentralbank, das sie an die wachsende Start-up-Szene und deren Investor:innen in Kalifornien und darüber hinaus weiterverlieh. Ausserdem wurde sie zur Hausbank vieler, die durch den Start-up-Boom reich geworden waren. Einen grossen Sprung nach vorne machte die Bank nach 2018, als der damalige US-Präsident Donald Trump – auch mit den Stimmen vieler Demokrat:innen – die wenige Jahre zuvor eingeführten Regulierungen im Bankensektor für mittelgrosse Finanzinstitute wie die SVB wieder abschwächte.

2022 wurde es für diese dann aber schwierig. Wegen der steigenden Inflation begann die US-Zentralbank, die Zinsen zu erhöhen. Viele Start-ups, die von günstigen Krediten abhängen, gerieten in die Krise. Das wirkte sich auf die SVB aus. Kund:innen zogen ihre Einlagen zurück, um liquider zu sein. Die Bank musste deshalb einen Teil ihrer US-Staatsanleihen verkaufen, mit denen sie sich angesichts der vielen Kund:innengelder zuvor eingedeckt hatte. Weil aber die Zinsen inzwischen gestiegen waren, gab es viel lukrativere Staatsanleihen mit höheren Zinsen auf dem Markt. So konnte die SVB die ihren nur mit Verlust verkaufen, und das Unheil nahm seinen Lauf.

Über das Wochenende herrschte in Regierungskreisen Aufruhr. Denn neben der SVB mussten die Behörden auch die auf reiche Kund:innen spezialisierte Signature Bank schliessen. Und am Montag drohte wegen der Unsicherheiten weiteren Banken der Sturm. Zudem machten die SVB-Kund:innen politischen Druck und verlangten, dass der Staat sämtliche Guthaben decken solle. Die ganze Start-up-Szene sei bedroht – und damit die US-Überlegenheit im Technologiesektor gegenüber China.

Panik vor einem erneuten Flächenbrand im Finanzsektor und Lobbying reicher Bankkunden, das zeigte Wirkung: Am Sonntagabend gab Finanzministerin Janet Yellen bekannt, dass der Staat alle Bankguthaben vollumfänglich decken werde. Aus der staatlichen Einlagendeckung von 250 000 Dollar ist über Nacht gratis eine Vollkaskoversicherung geworden.

Die Entscheidung macht klar: Die Politik steckt immer noch in Gefangenschaft der Finanzindustrie. Selbst mittelgrosse Banken können aufgrund von Managementfehlern und schwachen Regulierungen das ganze Finanzsystem ins Wanken bringen. Regeln werden so über Nacht hinfällig. Und Nutzniesser der Regelverletzung sind reiche Bankkund:innen.

Diese Krise ist nicht ausgestanden, sie hat wohl gerade erst richtig begonnen. Wegen der weiterhin hohen Inflation ist die US-Zentralbank eigentlich gezwungen, in naher Zukunft die Zinsen weiter anzuheben. Macht sie das nicht, drohen weitere Preissteigerungen auf dem Rücken der Armen. Nahrungsmittel etwa sind in den USA innerhalb eines Jahres bereits um 9,5 Prozent teurer geworden, Transportkosten um 14,6 Prozent gestiegen.

Doch sollten die Zinsen steigen, führt das unweigerlich dazu, dass weitere Banken in die Krise geraten. Denn viele haben ebenfalls grosse Posten ihrer Gelder in Staatsanleihen gesteckt. Der Wertverlust all dieser Anleihen zusammen – müssten sie vorzeitig verkauft werden – beträgt derzeit über 600 Milliarden Dollar. Die Zentralbank ist also im Dilemma. Wie sie da wieder herauskommt, bleibt die grosse Frage.