Taumelnde Banken: Mit Armut gegen die Inflation

Nr. 12 –

Die Zentralbanken versuchen, die Inflation zu drücken, indem sie eine soziale Krise provozieren. Nun zeigt sich, dass sie damit auch eine Bankenkrise riskieren.

Die Finanzwelt spielt verrückt. Seit Monaten schrauben die Zentralbanken die Zinsen nach oben. Und seit Tagen steigt die Kurve mit den Beträgen der Notkredite, die die US-Notenbank (Fed) den Geschäftsbanken gewährt, fast senkrecht. Die Marke, die sie bei der Finanzkrise 2008 erreichte, hat sie längst übertroffen.

Steigende Zinsen und Liquiditätsspritzen zugleich? Eigentlich ein Widerspruch. Mit den Zinsen versuchen die Zentralbanken nämlich, die Kredite zu verknappen, um so die Inflation in den Griff zu bekommen. Dies bringt jedoch einige Banken weiter in Nöte, weshalb ihnen die Zentralbanken wiederum durch die Hintertür Hilfskredite vergeben. Zuerst kollabierte die Silicon Valley Bank (SVB) in den USA, dann folgten die amerikanische Signature Bank und die Credit Suisse, der die Schweizerische Nationalbank (SNB) 200 Milliarden Franken bereitgestellt hat. Viele Banken zittern.

Die Ursachen gehen auf die Finanzkrise 2008 zurück: Damals hatten sich viele Privathaushalte und Staaten verschuldet – was die Banken, die ihnen Geld geliehen hatten, ins Wanken brachte. Man hätte damals einen Teil dieser Schulden streichen können. Stattdessen senkten die Zentralbanken die Zinsen auf unter null, damit die Schulden weniger drückten. Kurz: Die Probleme wurden mit viel billigem Geld zugeschüttet. Und die Anleger:innen freuten sich, dass das Geld die Börsen befeuerte.

Doch dann kamen die Pandemie und Putins Krieg gegen die Ukraine. Die Inflation begann zu steigen, weshalb die Zentralbanken ihre Zinsen drastisch erhöhten. Kurz nach Redaktionsschluss vom Mittwoch hat Fed-Chef Jerome Powell seinen nächsten Zinsentscheid verkündet. Am Tag darauf wird die Schweizerische Nationalbank folgen.

Die Profit-Inflation

Die Zentralbanken stehen vor einem doppelten Problem. Erstens rächt sich, dass sie die Schulden mit tiefen Zinsen gestützt haben. Die Zinserhöhungen bringen nun viele überschuldete Privathaushalte, Staaten und auch Firmen in Not. Laut der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgiewa, stehen bereits sechzig Prozent der ärmeren Länder kurz vor einer Schuldenkrise – oder stecken bereits mittendrin. Ein Morgan-Stanley-Banker diagnostizierte in der «Financial Times» erste Krisenanzeichen bei Immobilien.

Zweitens: Die Welt erlebt nicht eine Inflation, wie sie im Lehrbuch steht, die vor allem durch steigende Löhne angetrieben wird – und damit die Nachfrage und so die Preise steigen lässt. Vielmehr ist es vor allem Energiekonzernen gelungen, die Preise in die Höhe zu treiben und so ihre Profite zu steigern. Das sagen nebst vielen kritischen Stimmen auch Leute wie UBS-Ökonom Paul Donovan. «Die heutige Inflation wird vor allem durch die Expansion der Profite angetrieben», schreibt er auf der Bankwebsite. Das gilt auch für die Schweiz: Fast zwei Drittel der Preissteigerungen hiesiger Firmen flossen 2022 in höhere Profite (siehe WOZ Nr. 10/23).

Ist die Inflation durch die Nachfrage getrieben, können Zentralbanken sie durch die Verknappung der Kredite senken. Aber gegen den Anstieg der Profite haben sie wenig in der Hand. Die Zwickmühle, in der die Welt also steckt: Die Inflation steigt. Doch nicht, weil die Menschen dank einer brummenden Wirtschaft schnell mehr Geld haben, was die Zentralbanken durch höhere Zinsen verhindern könnten. Vielmehr haben Konzerne die Inflation als Profit eingesteckt, während viele Leute und Staaten riesige Schulden haben.

Es gibt Alternativen

Zwar können die Zentralbanken mit Zinserhöhungen die Inflation runterbringen. Doch zu immensen sozialen Kosten: Gehen Privathaushalte und Staaten bankrott, fallen die Löhne, und die Arbeitslosigkeit steigt an. Und irgendwann wird die sinkende Nachfrage die Konzerne zwingen, ihre Preise und damit ihre Profite zu senken.

Wie sich jetzt zeigt, droht dies jedoch in eine globale Finanzkrise zu münden: Hinter dem Absturz der Silicon Valley Bank (SVB) oder der CS steckt auch Missmanagement. Die SVB geriet aber auch ins Wanken, weil Anleihen in ihren Büchern an Wert verloren, da nun alle neue Wertpapiere mit den höheren Zinsen wollen – dies beschleunigte auch die Krise der CS. Steigen die Zinsen, erhöht sich für Banken die Gefahr von Verlusten, und die Sicherung der Liquidität wird schwieriger. Notkredite der Zentralbanken werden nicht jeden Bankenrun verhindern.

Die gute Nachricht: Es gibt Alternativen. Die Regierungen müssen die gestiegenen Profite ins Visier nehmen. Mit härteren Kartellgesetzen, Regeln gegen Spekulation oder mit einer Kriegsgewinnsteuer. Und: Ein Teil der Schulden von Privathaushalten und Staaten muss gestrichen werden. Dann könnten auch die Zinsen steigen, ohne Existenznöte auszulösen.