Serie: Furor in der Botschaft

Nr. 21 –

Still aus der Serie «The Diplomat»: 2 Personen in einer Pferdekutsche
«The Diplomat», Staffel 1. Showrunner: Debora Cahn. USA 2023. Netflix.

Wer kennt die amtierende US-Botschafterin in London? Vermutlich die wenigsten. Sie heisst Jane D. Hartley, ist mit einem Investmentbanker verheiratet und gehört wohl zu den Karrierediplomatinnen, die für Parteispenden oder andere «gute Dienste» mit Jobs belohnt werden. Wie in der cleveren neuen Netflix-Serie «The Diplomat» erklärt wird, gibt es zwei Prototypen von Botschafter:innen: das Modell Hartley – und das Modell Kate Wyler (Keri Russell). Letztere hat sich in «Krisenzonen» verdient gemacht, also dort, wo die USA in den letzten Jahrzehnten ein blutiges Chaos angerichtet haben.

Nach London entsendet man sie, um sie zu testen: Sie soll bald die strauchelnde Vizepräsidentin ablösen und dem etwas tattrigen Präsidenten den Rücken stärken – Ähnlichkeiten mit real existierenden Situationen sind sicher beabsichtigt. In ihrem Schlepptau: ihr Mann Hal (Rufus Sewell). Selber Diplomat, hochgradig ambitioniert und vernetzt, ist er nun dazu verknurrt, Botschafterinnengatte zu spielen. «The Diplomat» inszeniert diese Umkehr der Rollen – und ihr Scheitern – mit feministischem Furor. Wyler landet in London, nachdem ein britischer Flugzeugträger im Persischen Golf bombardiert wurde, 41 Soldat:innen sind tot. Es gibt Hinweise, dass der Iran hinter dem Anschlag stecken könnte – oder wars Russland? Der britische Premier, eine Art Kreuzung aus Boris Johnson und Tony Blair, will vor allem markig wirken. Kate Wylers Erfahrungen in verminten Männer- und Kriegsgebieten erweisen sich als nützlich.

Das US-Magazin «Slate» liess die Serie von einem Politikexperten rezensieren, der berichtet, das sei ja alles überhaupt nicht realistisch. Doch das ist auch nicht der Punkt. Wie schon der US-Präsident in «The West Wing» ist diese unzimperliche, hochintelligente, bodenständige Botschafterin eine idealtypische Verkörperung, ein linksliberaler Wunschtraum. Keine zufällige Verwandtschaft: Hinter «The Diplomat» steckt die «West Wing»-Drehbuchautorin Debora Cahn, Expertin für die Verwandlung von zäher Politik in formvollendete Dialogkunst.