Die UBS in Brasilien: Illegal im Amazonas gerodet? Kein Problem

Nr. 42 –

Eine neue internationale Recherche zeigt, wie als «grün» zertifizierte UBS-Gelder mutmasslich an dubiose brasilianische Farmer:innen fliessen.

Pestizideinsatz auf einem Sojafeld im Bundesstaat Goiás
Sieht so «grünes Wachstum» aus? Pestizideinsatz auf einem Sojafeld im Bundesstaat Goiás. Foto: Mateus Bonomi, Getty

Brasiliens Landwirtschaft wächst rasant. Im ersten Quartal dieses Jahres wies der Sektor gar den höchsten Zuwachs seit fast dreissig Jahren auf. Das zeigen Daten der brasilianischen Statistikbehörde IBGE. An diesem Wachstum teilhaben will auch die UBS. 2020 ging sie dafür mit der Banco do Brasil, der grössten brasilianischen Bank, ein Joint Venture ein und gründete die UBS BB Investment Bank.

Dass die UBS in Brasilien damit vor allem die Agrarindustrie und «grünes Wachstum» im Visier hat, ist bekannt. Die Brasilienchefin Sylvia Coutinho schwärmte bei der Eröffnung der neuen Bank von einer der nachhaltigsten Landwirtschaften der Welt – und davon, wie der «Waldkodex» der UBS diese Nachhaltigkeit zusätzlich fördere. Zwar habe die zunehmende Abholzung nicht geholfen, dieses Bild zu festigen, doch sei sich «die aufgeklärte Agroindustrie» bewusst, dass sie nur wachsen könne, wenn sie das «Umweltproblem» berücksichtige und auf grüne Zertifikate setze.

Im Auftrag von Greenpeace recherchierte die britische Investigativplattform Unearthed zusammen mit dem brasilianischen Onlineportal «O Joio e o Trigo», wohin die «grünen» Anleihen der UBS in Brasilien fliessen. Die Recherche zeigt auf: Ein Teil der Gelder könnte letztlich an Farmer:innen gelangt sein, die wegen grossflächiger Abholzung verurteilt sind und gegen die auch wegen Festhalten von Minderjährigen in sklavenartigen Zuständen ermittelt wird. Die WOZ erhielt zusammen mit der britischen «Financial Times» und dem spanischen «El País» vorab Einsicht in die Recherche.

Kontroverse Namen

Einer der mutmasslichen Empfänger der UBS-Gelder ist Antônio Galvan. Der Präsident des brasilianischen Sojaverbands Aprosoja ist wegen illegaler Abholzung von fünf Quadratkilometern tropischen Waldes, illegalen Sojaverkaufs sowie aussersaisonalen Anbaus von Soja verurteilt. Letzteres führt zu einem erhöhten Pestizideinsatz. Nur zwei Monate vor Unterzeichnung des Deals mit der UBS im Oktober 2021 wurde bekannt, dass der Oberste Gerichtshof gegen Galvan ermittelt. Inzwischen wird ihm zudem vorgeworfen, den Angriff auf den brasilianischen Kongress und den Obersten Gerichtshof am 8. Januar 2023 durch Anhänger des damaligen Präsidenten Jair Bolsonaro mitgeplant zu haben.

An Galvan soll das Geld der UBS über eine Anleihe des Rohstoffhändlers Caramuru Alimentos im Wert von umgerechnet 63 Millionen Schweizer Franken gelangt sein, die die Schweizer Grossbank gemeinsam mit der brasilianischen Bank BTG Pactual organisiert hatte. Ersichtlich wird das aus einer Liste im Anleihenbeschrieb, die alle Produzent:innen enthält, von denen Caramuru Soja bezieht. Galvan ist bei weitem nicht der einzige kontroverse Name auf dieser Liste. So kauft Caramuru etwa auch Soja von Werno Elger, einem Produzenten aus dem Bundesstaat Goiás. Elger ist angeklagt, fünf Menschen, darunter Minderjährige, in sklavenartigen Zuständen festgehalten zu haben. Im April 2021 wurden die Arbeiter:innen von einer Spezialeinheit der brasilianischen Zentralregierung befreit – fünf Monate vor Unterzeichnung der Anleihenausgabe der UBS. Die Strafuntersuchung ist noch nicht abgeschlossen.

Auch Ana Cláudia Borges de Almeida Coelho gehört zu Caramurus Sojalieferant:innen – obwohl sie 2021 von der Staatsanwaltschaft Mato Grosso mit einer Busse von umgerechnet fast zwei Millionen Schweizer Franken belegt wurde; sie hatte im Amazonas auf rund siebzehn Quadratkilometern illegal abgeholzten Landes Getreide angebaut und Rinder gezüchtet. José Romanzini, einem weiteren Produzenten, der Caramuru mit Soja belieferte, wird Landgrabbing und Einschüchterung von Kleinbäuer:innen im Amazonasgebiet vorgeworfen. Die brasilianische Bundespolizei bezeichnet ihn als einen der Anführer eines systematischen Programms der «Aneignung von öffentlichem Land, Gewalt gegen Siedler, Drohungen, Vertreibungen und Zusammenlegung von Grundstücken» im Bundesstaat Mato Grosso.

Auf Anfrage schreibt Caramuru gegenüber Unearthed, dass zwar all diese Personen auf der Liste der Lieferant:innen seien, dies aber nicht heisse, dass auch wirklich Soja von ihnen bezogen werde. Vor jedem Kauf werde eine weitere Prüfung durchgeführt.

Unbeantwortete Fragen

Im Juli 2022 vergab die UBS – zusammen mit der BTG Pactual – eine zweite, noch deutlich grössere Anleihe an Caramuru; dieses Mal sind es umgerechnet über hundert Millionen Schweizer Franken. Hierbei fehlt jedoch eine detaillierte Liste der Produzent:innen, von denen Caramuru die Rohstoffe beziehen will. Die UBS verdiente an dieser als «grün» zertifizierten Anleihenausgabe umgerechnet geschätzte 1,5 Millionen, an jener im Oktober 2021 geschätzte 0,9 Millionen Schweizer Franken.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, schreibt die UBS gegenüber Unearthed, dass sie ihre Kund:innen beim Übergang zum Netto-null-Ziel unterstütze und «keine Finanz- oder Beratungsdienstleistungen für Unternehmen erbringt, deren Hauptgeschäftstätigkeit mit illegalem Holzeinschlag oder Wäldern mit hohem Schutzwert verbunden ist». Detaillierte Fragen lässt sie mit der Bemerkung unbeantwortet, dass sie sich nicht zu einzelnen Kund:innenbeziehungen äussere. Klarer beurteilt Alex Wijeratna, Direktor der auf Abholzung tropischer Wälder spezialisierten Umweltorganisation Mighty Earth, diese Geschäfte. Er sagt: «Der Begriff ‹Greenwashing› ist hier zu schwach. Das sind mutmasslich Menschenrechtsverletzungen.»

Olivier Christe war an der Recherche von Unearthed, der Investigativplattform von Greenpeace UK, beteiligt. Weitere Details rund um die «grünen Gelder» der UBS in Brasilien können auf unearthed.greenpeace.org nachgelesen werden.