Wasserknappheit: Stille Verwüstung

Nr. 35 –

Im Süden von Sizilien herrscht eine der schlimmsten Dürren aller Zeiten. Eine Folge der Klimakatastrophe, sagen die einen, Misswirtschaft, die anderen. Die Wahrheit liegt dazwischen, und die Bewohner:innen fragen sich, wie es weitergehen soll.

Luca Cammarata mit seinen Ziegen in der Nähe von Caltanissetta
«Es geht nur noch darum, dass die Tiere den Sommer überstehen»: Luca Cammarata mit seinen Ziegen in der Nähe von Caltanissetta.

Auf der Hochebene im Zentrum von Sizilien steht der Bauer Luca Cammarata in der Käserei seines kleinen Hofs und beisst von einem Croissant ab. Cammarata, ein schlanker Mann in grünem Polohemd und Funktionshose, nimmt ein paar Bisse, dann deckt er die andere Hälfte rasch mit einem Küchenpapier zu. Es ist halb acht morgens. Der Bauer hat keine Zeit zu verlieren. Vor der Tür seiner kleinen Käserei wird es immer heisser. Er öffnet die Tür unter der dröhnenden Klimaanlage hin zu einer gelben Steppe aus Sand und Geröll. Hätte man ihm vor zwanzig Jahren erzählt, was in diesem Sommer auf ihn zukommt, er hätte es nicht für möglich gehalten, sagt er.

Im Stall nebenan drängen sich Dutzende Ziegen. Ihre Hörner stehen steil gedreht vom Kopf ab. Ein paar von ihnen heben ihre Vorderbeine in die Luft, als der 53-Jährige in einem Gatter nebenan die Melkmaschine an das Euter einer Ziege anschliesst. Seit zwanzig Jahren führt Cammarata den kleinen Biobetrieb auf der Hochebene in der Gemeinde Caltanissetta. Diesen Sommer geben die Ziegen nur noch die Hälfte der Milch, die sie gewöhnlich produzieren. Auch, weil sie nicht genug trinken. Um den Käse geht es dem Bauern, der die Ziegen ansieht, als wären sie Kinder, für die er die Verantwortung trägt, schon lange nicht mehr. «Es geht nur mehr darum, dass sie den Sommer überstehen», sagt er und öffnet das Gatter, um die Herde hinaus in die Hochebene zu treiben. Früher seien sie den ganzen Tag auf der Weide geblieben, sagt Cammarata, während sich die Ziegen in der Ferne wie grosse weisse Murmeln im Sand verteilen. «Heute kommen sie spätestens um 11 Uhr zurück.» Der künstliche Teich, aus dem die Ziegen während der Weidezeit tranken, ist seit Monaten ausgetrocknet. «Eine von ihnen starb im Juni, als sie vom aufgeweichten Schlamm trank», sagt Cammarata.

Um diesen Artikel zu lesen, haben Sie drei Möglichkeiten:

Jetzt die WOZ abonnieren Login (für Abonnent:innen) App laden und Einzelausgabe kaufen