CS II: Historische Altlasten: Die versteckten Konten der Nazis
Brisante neue Funde zeigen, wie die Schweizerische Kreditanstalt während und nach dem Zweiten Weltkrieg NS-Grössen zudiente. Nun macht der US-Senat Druck auf die UBS als Rechtsnachfolgerin.

«Naziverbindungen zur Credit Suisse enger als bisher bekannt», berichtete das «Wall Street Journal» vergangenen Samstag. Anlass war eine Pressemitteilung aus dem US-Senat. Darin wird von einer Untersuchung zu «Nazikonten» der CS berichtet, die von der mittlerweile untergegangenen Grossbank behindert worden sein soll.
Noch sind nur Zwischenergebnisse bekannt, doch die sind brisant: 99 Konten seien bisher identifiziert, die einst ranghohen Nazis gehörten. Teils wurden sie erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnet, im Wissen darum, mit wem man es zu tun hatte. Zu Tausenden waren Nazikader nach der Niederlage ihres «Reichs» untergetaucht, viele in Südamerika. Besonders beliebt war Argentinien unter Juan Perón. Die alliierten Ermittlungsbehörden sprachen damals von der «Rattenlinie», auf der sich Nazis dort in Sicherheit gebracht hätten, wo der argentinische Präsident seine schützende Hand über sie hielt. So konnten sich die meisten ihrer gerechten Strafe entziehen, auch wenn sie an schwersten, genozidalen Verbrechen beteiligt gewesen waren.
Skandalöse Vorgänge
Die vom unabhängigen Ombudsmann Neil Barofsky geleiteten Untersuchungen zeigen, dass viele der untergetauchten Nazis ihre Gelder bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), die 1997 in der CS aufging, und wohl auch bei anderen hiesigen Banken untergebracht hatten. Vermögen, die während der NS-Terrorherrschaft durch millionenfache Enteignung, Diebstahl, Plünderung, Zwangsarbeit und durch Massenmord angehäuft worden waren.
Rund ein Dutzend dieser Konten war bis ins 21. Jahrhundert aktiv – die letzten noch 2020. Bisher sind es 21, die sich hohen NS-Funktionären zuordnen lassen, unter anderem solchen, die vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal verurteilt wurden. Darunter befinde sich auch ein namentlich nicht genannter Vertreter der Deutschen Wirtschaftsbetriebe (DWB), einer Holding der SS, der besonders skrupellosen militärischen Elite des Regimes. Unter Einsatz von Zwangsarbeit betrieben die DWB Unternehmen, die jüdischen Besitzer:innen geraubt worden waren; in diesem Zusammenhang wurde im Zuge der Untersuchung auch ein Schweizer Mittelsmann eruiert.
Auslöser für Barofskys Untersuchungen waren Vorwürfe des Simon Wiesenthal Center, einer US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation. Diese forderte von der CS, nach Nazikonten zu forschen. Die Bank stimmte einer Untersuchung zu, wenn auch nur einer internen. Ab 2021 durchforstete ein Team von Finanzforensiker:innen das Firmenarchiv in Zürich. Die relevanten Akten sollen sich auf 300 000 Regalmeter bemessen haben. Dort stiessen die Expert:innen auf riesige Mengen an neuen, bisher verborgen gehaltenen Dokumenten.
Noch ehe diese aber ausgewertet werden konnten, soll Barofsky gemäss Senatsbericht aufgefordert worden sein, seine Recherchen nicht weiter auszudehnen. Er gab dem Druck allerdings nicht nach, woraufhin die CS ihm im Dezember 2022 das Mandat entzogen habe.
Ein skandalöser Vorgang, dessen Ursprung zum einen in der Vergangenheit zu suchen ist: Dass die SKA mit Nazideutschland enge Geschäftsbeziehungen unterhalten hatte, ist schon länger bekannt. Aber der Skandal reicht in die Gegenwart. Denn als Rechtsnachfolgerin hat sich die CS nicht bloss die Vermögenswerte der SKA einverleibt, sondern auch deren Altlasten. Die UBS, die nun ihrerseits die CS geschluckt hat, scheint verstanden zu haben, wie gross das Risiko einer Vertuschung dieser Vergangenheit ist.
Koloniale Leerstellen
In der Schweiz mögen die Gesetze zu zahnlos sein, um eine Grossbank zu verpflichten, ihre Geschichte aufzuarbeiten und finanzielle Entschädigung zu leisten. In den USA hingegen ist das anders. Die UBS weiss das – und hat, von der Öffentlichkeit zunächst unbemerkt, Ombudsmann Barofsky gleich nach der CS-Übernahme wieder eingesetzt. Sie werde Barofsky in seinen Recherchen vollumfänglich unterstützen, hat die Bank verlauten lassen.
Schuld, davon war die Philosophin Hannah Arendt überzeugt, ist keine kollektive Kategorie, und sie vererbt sich auch nicht. Nur so sei Freiheit möglich – und damit auch Verantwortung. Denn Verantwortung übernehme man. Bewusst, aus Überzeugung. Wie also soll es nun weitergehen? Wird man in der Schweiz die Verantwortung übernehmen? Zuwarten, bis der Druck aus den USA gross genug ist? Oder darauf zählen, dass Profite nur lange genug versteckt werden müssen, um selbst über die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, unter denen sie gemacht wurden, Gras wachsen zu lassen?
So aufklärerisch sich die UBS gibt, wenn der US-Senat Druck macht, so verantwortungslos zeigt sie sich, wenn es um die Profite der CS im kolonialen Kontext geht. Im letzten Frühjahr wandten sich Shelley Moorhead, ein Vertreter der African-Caribbean Reparations & Resettlement Alliance (ACRRA), und der St. Galler Historiker Hans Fässler mit einer Forderung an UBS-Chef Sergio Ermotti: Die Grossbank solle sich ihrer wissenschaftlich belegten Sklavereivergangenheit stellen. Die UBS liess ausrichten, dass andere Forschungsergebnisse diesen Vorwurf widerlegen würden. Trotz Nachfrage wurden diese allerdings nicht vorgelegt: Die Sache sei für sie erledigt, erklärte die UBS.