Skandal im Geheimdienst: Ungeheuerliche Vorgänge

Nr. 23 –

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Es ist eine Geschichte, die nur der Schweizer Geheimdienst schreiben kann: Zwischen 2015 und 2020 hat das Cyberteam des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB) Daten mit der russischen Cybersicherheitsfirma Kaspersky ausgetauscht. Dringender Verdacht: Diese Daten könnte Kaspersky an den russischen Geheimdienst weitergereicht haben. Das alles hat der NDB 2021 in einem geheimen internen Bericht aufgearbeitet, der SRF zugespielt worden ist.

Es geht dabei offenbar vorwiegend um Daten zu Hackerangriffen, doch was genau abgeflossen ist, weiss der NDB nicht. Das Cyberteam soll seine Spuren nach allen Regeln der Kunst verwischt haben, als die Leitung des NDB intervenierte. Den Anstoss dazu gaben gemäss SRF ausländische Partnerdienste, die den NDB über das Eigenleben seines Cyberteams ins Bild setzten und warnten, man werde keine Informationen mehr teilen, solange die Kooperation mit den Russen bestehe. Gemäss einem Partnerdienst sollen geheime Informationen zu russischen Spionageeinsätzen vom NDB via Kaspersky zum russischen Militärgeheimdienst GRU gelangt sein. Ungeheuerliche Vorgänge.

Für Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli gibt es zwei mögliche Erklärungen für das Treiben des NDB-Cyberteams: «Entweder sie waren geltungssüchtig und liessen sich deshalb von den Russen instrumentalisieren – oder es geht gar um Doppelagenten.» Die Untersuchung, die der neue Verteidigungsminister Martin Pfister (Die  Mitte) nun in Auftrag gegeben habe, könne nur ein Anfang sein. Die Geheimdienstleitung habe versagt, die Aufsicht sei zahnlos. «Wie bringen wir den NDB dazu, dass er sich endlich an die Regeln hält?» Glättli fordert einen Stopp der angelaufenen Revision des Nachrichtendienstgesetzes, mit der sich der Geheimdienst noch mehr Kompetenzen im Cyberbereich geben will. Im Juli soll die Vernehmlassung dazu starten.

Auch der Schwyzer Mitte-Nationalrat Dominik Blunschy, einer der wenigen IT-Expert:innen im Parlament, hält die Vorgänge im NDB für «schwer zu erklären». Er sagt zwar, Gegengeschäfte zwischen Diensten und privaten Firmen seien nicht ungewöhnlich, «denn ohne diesen Austausch geht es nicht in der Cyberabwehr». Gute Informationen seien auch nicht gratis. «Doch dass man dafür auf einen russischen Anbieter setzte, ist für mich unverständlich.»