Wahlen in Syrien: Ein Verfahren, das den Autoritarismus stärkt
Nach mehr als fünfzig Jahren Diktatur haben syrische Wahlleute ein Parlament ernannt. Die Bevölkerung durfte nicht mitreden.
Es ist ein Satz, der zunächst nach demokratischer Errungenschaft klingt: Am vergangenen Sonntag hat Syrien ein neues Parlament gewählt – das erste Mal seit dem Sturz des Assad-Regimes vor einem Dreivierteljahr. Abseits der Schlagzeilen ergibt sich allerdings ein komplizierteres Bild. So hatte nicht nur die komplette Abwesenheit von Parteien, Programmen und Plakaten bereits im Vorfeld für Unmut gesorgt, sondern vor allem das Fehlen des allgemeinen und direkten Volkswillens. Von den insgesamt rund 23 Millionen Syrer:innen waren nämlich bloss etwa 6000 Wahlmänner und -frauen stimmberechtigt.
Die Wahlleute waren zuvor in einem diffizilen Verfahren auserkoren worden: Regionale Gremien, eingesetzt von einem Komitee der Übergangsregierung, wählten die Delegierten aus einem Pool von Gemeindevertreter:innen sowie Angehörigen gebildeter und höhergestellter Berufsgruppen aus. Diese bestimmten anschliessend rund zwei Drittel der künftigen Parlamentarier:innen aus ihren eigenen Reihen. Das verbleibende Drittel der insgesamt 210 Sitze soll in den kommenden Tagen von Interimspräsident Ahmad al-Scharaa vergeben werden.