Erinnerungspolitik in Russland : «Illegale» Stadtführungen
Die Initiative «Letzte Adresse» will der Opfer des Stalinismus gedenken – und wird dafür nicht nur vom Staat, sondern auch von ultranationalistischen Gruppen angegriffen.

Wo ist Oksana? Und wo Olesja? Rund ein Dutzend Frauen, die meisten über fünfzig, haben sich an diesem regnerischen Septembersamstag am Moskauer Tschistoprudni-Boulevard, Haus Nummer 15, zum Stadtspaziergang der Initiative «Das ist genau hier» eingefunden. Diese befasst sich mit Orten politischer Verfolgung und dem Schicksal von Menschen, die in den finsteren Jahren des stalinistischen Terrors von zu Hause abgeholt worden waren und buchstäblich von der Bildfläche verschwanden: ins Lager gesperrt, erschossen, aus dem Gedächtnis gelöscht.