Mike Ben Peter: Zur nächsten Instanz!
Heute wurde am Palais de Justice in Lausanne im Fall Mike Ben Peter das langerwartete Urteil gesprochen: Die sechs Polizisten, angeklagt wegen fahrlässiger Tötung, werden freigesprochen.
Die Beamten der Lausanner Stadtpolizei, die im Februar 2018 massive Gewalt gegen Peter angewendet, ihn mit Pfefferspray besprüht, ihm mehrere Rippen gebrochen, ihn in die Genitalien getreten, ihn minutenlang in Bauchlage und gefesselt zu Boden gedrückt haben, tragen laut Gericht keine Mitschuld an dessen Tod nur paar Stunden nach dem Übergriff. Dies, obwohl die angewendete Gewalt dokumentiert ist, Peter während des Einsatzes bewusstlos wurde und die Beamten gegen polizeiliche Wegleitungen verstossen haben.
Höchst zweifelhaft bleibt in diesem Prozess die Rolle von Staatsanwalt Laurent Maye. Aufgefallen ist er zunächst mit einer halbherzigen Anklageschrift, dann mit einer fragwürdigen, um nicht zu sagen: schlampigen Prozessführung. Am Ende plädierte er sogar auf «nicht schuldig». Die angeklagten Polizisten ihrerseits schwiegen, wollten sich weder an Abläufe noch Aussagen und Details erinnern, die sie belasten könnten, wie etwa in der «Republik» geschildert wird. An jede Kleinigkeit, die Entlastung versprach, konnten sie sich demnach hingegen sehr genau erinnern.
Abgeschlossen ist der Fall mit dem Urteil nicht, er soll weitergezogen werden: mindestens zur nächsten Instanz, ans Kantonsgericht der Waadt. Und falls nötig, auch ans Bundesgericht und bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Dies haben die Familie von Mike Ben Peter und ihr Anwalt Simon Ntah schon während des Prozesses angekündigt. Dieser wirft insgesamt ein nicht ganz so gutes Licht auf das Waadtländer Justizsystem: Die Nähe zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sei «heikel», stellte zum Beispiel die NZZ fest.
Juristisch gesprochen sind die sechs beteiligten Polizisten derzeit also schuldfrei. Aber zwei Dinge sind klar. Erstens: Der Verstorbene Mike Ben Peter und seine Familie haben ein gerechtes Verfahren verdient. Und zweitens: Dieser Prozess am Lausanner Bezirksgericht, in dem es Momente der Verhöhnung des Verstorbenen gab, und in dem es nach gegenseitigem Rückendecken, «Cop Culture» und rassistischen Ressentiments roch, muss selbst Gegenstand einer Untersuchung werden – und zwar durch eine dritte, neutrale Instanz.