Max Voegtli ist nicht das Problem
Die Freude in den bürgerlichen Medien ist gross: Klimaaktivist und «Renovate Switzerland»-Mediensprecher Max Voegtli ist nach Mexiko geflogen! Von Zürich aus, über Paris. Voegtli beim Anstehen für die Gepäckkontrolle, Voegtli sitzend beim Gate, Voegtli auf dem Weg zu seinem Sitzplatz im Flugzeug: Die Fotos eines Leserreporters des Onlineportals «Züri Today» eröffneten die Jagd auf den Dreissigjährigen.
«Schweizer Klimakleber auf Flug nach Mexiko erwischt», titelte der «Blick» letzten Freitag und brachte das Drama damit aufs nationale Parkett. Verschiedene Medien schrieben die Geschichte ab, die dann sogar ins Ausland überschwappte: «Focus Online», rtl.de und msn.com berichteten. 20min.ch und «Weltwoche» witterten einen waschechten Skandal und bastelten aus einem Tweet des SRF-Mitarbeiters Michael Perricone je eine Folgestory, die zeigen sollte, dass Voegtli schon in der «Vergangenheit viel unterwegs war»: Bei «20 Minuten» hiess das Ganze gestern Vormittag noch «Formel-1-Rennen, Roadtrips, USA-Reise», die «Weltwoche» schlief eine Nacht darüber, um die Geschichte noch mal neu einzuordnen: «Roadtrips, USA-Reisen, Formel-1-Rennen», lautet bei ihr der Titel. Dazwischen brachte auch der «Blick» die Fortsetzung der Geschichte, immerhin mit einer anderen Schlagzeile.
Die Reaktionen auf ein solches Framing: Kommentarspalten und Tweets voll mit Kurzschlüssen, Beleidigungen, Hass. Der Unterton in vielen Fällen: Die Klimabewegung sei nicht legitim, genauso wenig ihre Forderungen.
Sichtlich entkräftet vom Shitstorm der vergangenen Tage, versuchte sich der Gejagte zu verteidigen: «Ich bin eine Privatperson, ich habe mich dazu entschieden zu fliegen.» Und damit ist zu seinem privaten Flug eigentlich auch alles gesagt. Ausser vielleicht noch, dass Voegtlis Reise mit dem Flugzeug zwar ungeschickt wirkt, aber vor allem eins ist: unerheblich. Die Empörungswelle ist ein reines Ablenkungsmanöver, weg von politischen Fragen, hin zur individualisierten Moral. Höchste Zeit, sich auch medial wieder auf das dringliche Problem zu konzentrieren: die Klimakatastrophe.