Das Mullahregime zieht die Schraube an

Fast ein Jahr nach dem Tod von Mahsa Amini haben iranische Abgeordnete ein verschärftes Kopftuchgesetz im Parlament vorangebracht. Die umstrittene Strafreform der bestehenden Kopftuchpflicht wurde nun von einer Kommission im Parlament gebilligt. Als Nächstes wird sie dem erzkonservativen Wächterrat vorgelegt. Die Reform sieht Gefängnisstrafen von bis zu fünfzehn Jahren, Geldbussen und Ausreisesperren bei Missachtung der Kleidungsregeln vor. Auch die Veröffentlichung von Fotos ohne Verschleierung im Internet soll strafbar sein.

Damit wird der Widerstand der Zivilgesellschaft noch heikler, als er ohnehin schon ist. Denn die Verschärfung ist eine Reaktion des Regimes auf die Proteste der vergangenen Monate gegen die Islamische Republik, die vor allem von Frauen angeführt wurden. Amini war am 13. September 2022 wegen eines schlecht sitzenden Kopftuchs von der Moralpolizei festgenommen worden. Die iranische Kurdin starb in Gewahrsam, ihr Tod löste landesweite Proteste aus, die brutal niedergeschlagen wurden. Dennoch zeigen sich immer wieder Frauen ohne Kopftuch auf den Strassen. Dieser stille Protest gehört nach Ansicht der Machthaber bestraft. Dabei ist das Kopftuch ein Symbol der Machtdemonstration, denn die klerikale und politische Führung des Landes steht stark unter Druck. Der zivile Ungehorsam soll durch stärkere Kontrollen gebrochen, die Menschen sollen eingeschüchtert werden.

So wurde vergangene Woche die wenige Tage zuvor erst freigekommene iranische Journalistin Nasila Marufian erneut festgenommen. Marufian hatte über Amini berichtet. Nach ihrer Freilassung hatte sie in sozialen Netzwerken ein Foto von sich mit sichtbarem Haar veröffentlicht. Wenige Wochen zuvor waren die gefürchteten Sittenwächter, die kurzzeitig aus der Öffentlichkeit verschwunden waren, auf die Strassen zurückgekehrt. Im Mai wurden drei Männer hingerichtet, die sich bei den Demonstrationen mit den Frauen solidarisiert hatten.

Der Versuch, alle Symbole des Widerstands zu beseitigen, könnte allerdings nach hinten losgehen. Denn viele Iraner:innen haben genug vom repressiven Regime. Als im Mai eine Studentin ohne Kopftuch in Teheran von einem Angestellten der Universität angegriffen wurde, war der Aufschrei gross – trotz aller politischen Drohungen protestierten zahlreiche Iraner:innen im Netz gegen solche Gewalt.