Kein Prozess im «Fall Nzoy»?
Am 30. August 2021 wurde Roger Nzoy Wilhelm Opfer eines Polizeieinsatzes am Bahnhof von Morges VD. Nzoy, wie ihn alle nannten, hatte auf einer Zugreise von Zürich nach Genf in Morges haltgemacht, wo ein Aufeinandertreffen mit der Polizei eskalierte und er von einem der Polizisten erschossen wurde. Der genaue Tathergang ist umstritten, und seine juristische Aufarbeitung ist Gegenstand einer Untersuchung der Waadtländer Staatsanwaltschaft.
Im Fall kommt es nun aber zu einer Wende: Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, dass sie beabsichtigt, die Untersuchungen einzustellen. Es soll zu keiner Anklage wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung kommen, wie es die Familie von Nzoy gefordert hatte.
Als Reaktion darauf kündigt die «Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy Wilhelm» heute an, den Fall noch mal genau beleuchten zu wollen. Die Kommission verlange die «umfassende Aufklärung der Umstände, die zum Tod von Roger Nzoy Wilhelm geführt haben». Dafür sollen «rechtliche und polizeiliche Verfahren geprüft, die Ermittlungsakten und die dazugehörigen Beweismittel der Justiz analysiert» werden.
In der Waadt sind in den vergangenen Jahren vier Schwarze Männer bei Polizeieinsätzen gestorben. Neben dem Fall von Roger Nzoy Wilhelm endeten auch die Polizeieinsätze gegen Lamine Fatty, Hervé Mandundu und Mike Ben Peter tödlich. Kritiker:innen werfen der waadtländischen Polizei Rassismus vor und bemängeln die Verbandlungen zwischen Justiz und Polizei im Kanton. Im Juni dieses Jahres sorgte die Waadtländer Staatsanwaltschaft für Verwunderung, als sie im Fall von Mike Ben Peter – in dem sie schon mit einer halbherzigen Anklageschrift aufgefallen war – überraschend auf «nicht schuldig» plädierte.
WOZ Debatte
Loggen Sie sich ein und diskutieren Sie mit!
LoginSpenden
Hat Ihnen dieser Text gefallen? Hat er Ihnen geholfen, Ihre Haltung zum Thema zu schärfen, oder hat er Sie vortrefflich provoziert? Und was ist Ihnen das wert? Unabhängiger Journalismus ist auf einen Beitrag vieler angewiesen.
Einen Betrag spenden
Kommentare