Trotz Wohnungsnot: «Züri isch no lang nöd tot»

Eine so grosse und kämpferische Demonstration gegen die Wohnungskrise hat Zürich schon lange nicht mehr gesehen – und das bei garstigem Novemberwetter. Laut den Orga­nisator:in­nen gingen am vergangenen Samstag rund 5000 Menschen in der Stadt Zürich auf die Strasse; vielleicht eine etwas grosszügige Zahl, 2000 bis 3000 waren es aber bestimmt.

Ein breites Bündnis hatte im Vorfeld zur Demonstration aufgerufen; darunter der Mieterinnen- und Mieterverband, Menschen aus der Besetzer:innenszene oder das «Mietenplenum», in dem sich bereits seit zwei Jahren Leute zum Kampf für das Recht auf Wohnen vernetzen. Auch Einzelpersonen und Familien kamen; Menschen die keine bezahlbare Wohnung finden oder denen der Mietvertrag gekündigt worden ist. Die Forderungen – auf Transparenten, Kartonschildern und Demowagen sichtbar – reichten von konkreten Kämpfen gegen den Abriss von Wohnungen bis zur übergeordneten Kritik an Kapitalismus und Ausbeutung. «Keine Rendite mit Boden und Miete», hiess es auf einem Transparent, «Nein zum Angriff auf das Mietrecht» auf einem anderen oder schlicht: «Wohnraum für alle».

Andere machten mit selbstgebastelten Baggern, Häusern aus Karton oder einem Geld kotzenden Smiley ihrer Wut gegenüber einer städtischen Regierung Luft, die es seit Jahrzehnten versäumt, die Immobilienlobby in die Schranken zu weisen und der Verdrängung von Geringverdienenden Einhalt zu gebieten. Stattdessen entwickelt sich Zürich zu einer auf Hochglanz polierten Stadt für Gutverdienende und einem Paradies für Immobilienunternehmen und -anleger: Neubauten mit absurden Grundrissen, Business Apartments und ein verschwenderischer Umgang mit der Bausubstanz zeugen davon: Oft werden Wohnungen abgerissen, die stattdessen sanft saniert werden könnten – was geringere Emissionen und weniger Bauabfall verursachen würde.

Rund drei Stunden lang zog die friedliche Kundgebung vom Turbinenplatz durch die Kreise 4 und 5 über die Militärstrasse und den Stauffacher an den Helvetiaplatz. Die Zugänge zur Europaallee riegelte die Stadtpolizei Zürich ab – das klotzige Mahnmal für eine verfehlte Zürcher Stadtentwicklung sollte schliesslich unbeschadet bleiben. Einzelne gezielte Aktionen gegenüber Treibern der Gentrifizierung hatten schon im Vorfeld stattgefunden: Im Kreis 5 etwa hatten Aktivist:innen einer Business-Apartment-Firma den Wasserhahn zugedreht und den Wasseranschluss kurzerhand einbetoniert.

Die breit abgestützte, kreative und kämpferische Demonstration weckte Erinnerungen an vergangene Auseinandersetzungen um Wohnraum, etwa den jüngst auf die Strasse getragenen Widerstand gegen die Räumung des Koch-Areals. Eine schöne Demo trotz nicht nachlassenden Regens. Bleibt zu hoffen, dass das erst der Auftakt war. Eine der Parolen lautete denn auch: «Trotz Wohnigsnot und Gummischrot, Züri isch no lang nöd tot!»