Mauro Poggia: Links, rechts, durch die Mitte?

Mauro Poggia behauptet von sich selbst, weder links noch rechts zu sein – in der Deutschschweiz dürften ihm das manche auch glauben. Weil er hier bis anhin den wenigsten ein Begriff gewesen sein dürfte. Und auch seine Partei, das Mouvement Citoyen Genevois (MCG), ist kaum über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt. Sie ist nur in Genf aktiv, dort allerdings mit grossem Erfolg. Bei den diesjährigen Nationalratswahlen erzielte sie 12,3 Prozent der Genfer Stimmen. Damit ist das MCG jetzt mit zwei Sitzen im Nationalrat vertreten. Seit gestern sitzt die Partei mit Mauro Poggia nun also auch im Ständerat.

Erstmals war das 2005 als lokalpatriotische Protestpartei gegründete MCG 2011 ins nationale Parlament eingezogen. Schon damals war es Mauro Poggia, der den wegweisenden Erfolg erzielte. Er blieb dann aber nur zwei Jahre, während derer er wenig erreichte, weil er sich keiner Fraktion anschloss, bevor er in die Genfer Exekutive, den Staatsrat, gewählt wurde. Sein MCG-Nachfolger im Nationalrat schloss sich der SVP-Fraktion an.

Poggia ist ein Gesundheitspolitiker, und in der Gesundheitspolitik vertritt er durchaus linke Positionen. An der Seite Pierre-Yves Maillards setzte er sich etwa für eine Einheitskasse ein. Auch als Staatsrat war er für die Gesundheitsversorgung zuständig, und er lenkte den Kanton durch die Covid-Pandemie, ohne den Massnahmenkritiker:innen zuzuzwinkern.

«Das MCG setzt sich unter anderem für eine dreizehnte AHV-Rente und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein», hält Sean Müller, Politologe an der Universität Lausanne, fest. «In manchen Fragen politisiert das MCG tatsächlich nah an der SP.» Müller sieht darin gewisse Parallelen zum Rassemblement National in Frankreich, das in manchen sozialpolitischen Fragen ebenfalls mehr staatliche Ausgaben fordert, um den «kleinen (französischen) Mann» anzusprechen. In anderen Fragen stehe die Partei aber klar rechts, sagt Sean Müller. Entstanden ist das MCG als Partei, die sich konsequent gegen Grenzgänger:innen positionierte. Und dafür stehe die Partei noch immer, sagt der Politologe. «Auch wenn Poggia im Wahlkampf fast ausschliesslich über Gesundheit sprach.»

Rechte Wähler:innen konnten den in Genf als Staatsrat bekannten Politiker wegen seiner Position in der Grenzgänger:innenfrage wählen, ohne dass sich Poggia diesbezüglich explizit exponieren musste. Für viele Linke war er dagegen offenbar als profilierter Gesundheitspolitiker wählbar. Die Ankündigung über die neuerliche Erhöhung der Krankenkassenprämien mitten im Wahlkampf kam ihm bei ihrer Mobilisierung gelegen. Gemäss Daten des Kantons Genf setzten ihn mehr als 11 500 Wähler:innen gemeinsam mit den linken Carlo Sommaruga oder Lisa Mazzone auf den Zettel, worauf auch Sean Müller hinweist. Wobei Poggia insgesamt 36 383 Mal gemeinsam mit der SVP-Vertreterin Céline Amaudruz gewählt wurde.

Stimmen von links, Stimmen von rechts: Die Erzählung, wonach Poggia eingemittet sei, verfing also. Und ganz Unrecht habe er damit auch gar nicht, sagt Sean Müller: «Er ist insofern eingemittet, als er in manchen Fragen linke, in anderen Fragen rechte Positionen vertritt.»

Und was ist jetzt daraus zu lernen? In erster Linie: wie wenig der Begriff «Mitte» als Beschreibung einer politischen Position taugt.

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Kommentare

Kommentar von Florian Müller

Di., 14.11.2023 - 13:23

Da haben sich Genfer und Genferinnen mächtig ins Knie geschossen.

Mazzone, die einst in der Daily Show von Trevor Noah auftrat, hätte als jüngste Ständeratspräsidentin beste Werbung für Genf machen und sich gleichzeitig für Klimagerechtigkeit einsetzen können.
Stattdessen wählten sie einen 64-Jährigen in der Hoffnung, dass er ganz allein die systemisch zu hohen Gesundheitskosten herunterbringt, und jetzt fällt er zwischen Stuhl und Bank. Mit der Mitte darf er nicht, bei der SVP muss er sich verleugnen und fraktionslos wird er wie bereits im Nationalrat nichts erreichen.

Vier verlorene Jahre, vorzeitiger Rücktritt droht.
Liebe Genfer:innen, vorher denken!