Aus den Kantonen: Zeichen der Hoffnung

Nr. 43 –

Was in Neuenburg, Luzern, Schaffhausen und Genf bei den Wahlen passiert ist – und noch passieren könnte.

Ambivalent in Neuenburg

Das Erfreuliche zuerst: Der Kanton Neuenburg schickt mit Céline Vara von den Grünen und Baptiste Hurni von der SP gleich zwei Linke in den Ständerat. Vara schaffte als Bisherige die Sitzverteidigung, und Hurni stiess den bisherigen Philippe Bauer (FDP) vom Ständeratssitz. Auch sonst lassen die Neuenburger Wahlergebnisse aufhorchen: Die SP legte um fast 6 Prozentpunkte zu und ist mit 23,5 Prozent der Stimmen neu die stärkste Kraft. Auch die Grünen liegen mit 16,5 Prozent weit über dem nationalen Schnitt. Selbst die Partei der Arbeit (PdA) kommt auf einen Stimmenanteil von annähernd 12 Prozent – womit sie allerdings im Kanton mit vier Sitzen ihren bisherigen verliert. Ein gallisches Dorf frei von allen Übeln ist Neuenburg nämlich doch nicht: Auch hier konnte die SVP um fast 5 Prozentpunkte zulegen und ist neu im Nationalrat vertreten. Der Sitz für Rechtsaussen geht auf Kosten des PdA-Politikers Denis de la Reussille. 

Historisch in Luzern

Genau hundert Jahre nachdem die Luzerner SP ihren ersten Nationalratssitz erobern konnte, kommt nun ein zweiter dazu. Auf die abtretende Prisca Birrer-Heimo folgen neu der ehemalige Juso- und heutige SP-Kantonalpräsident David Roth sowie der Kantonsrat und passionierte Langläufer Hasan Candan, der den grünliberalen Bisherigen Roland Fischer verdrängen konnte. Ganz überraschend sei der zweite Sitzgewinn nicht gewesen, sagt Roth auf Anfrage. Die Partei habe in den letzten Jahren einige neue Sektionen aufbauen und 650 neue Mitglieder dazugewinnen können. «Wir haben es geschafft, in einem sehr eingespielten, bürgerlichen Kanton die Politik aus der Minderheit heraus zu verändern», sagt Roth weiter. So hat die SP etwa geholfen, eine Spende von 400 000 Franken des Kantons für die Kaserne der Schweizergarde im Vatikan abzuwenden oder in der Stadt Luzern die Buchungsplattform Airbnb zu regulieren. Beide Anliegen wurden von der Stimmbevölkerung klar angenommen. Zeichen, die Hoffnung machen, dass es nicht erst im Jahr 2123 zum nächsten Sitzgewinn für die SP reicht.

Erfrischend in Schaffhausen

Für den zweiten Schaffhauser Sitz im Ständerat kommt es im zweiten Wahlgang Mitte November zum Duell zwischen dem «gemässigten SPler» Simon Stocker und dem bisherigen parteilosen Ständerat und Trybol-Tycoon Thomas Minder. Die Chancen für den linken Kandidaten stehen nicht schlecht: Im ersten Wahlgang lag Stocker vor dem weit rechts politisierenden Minder und verpasste das absolute Mehr nur um 500 Stimmen. Pikant: Die drittplatzierte FDP-Kandidatin Nina Schärrer zog sich am Mittwoch gegen ihren Willen zurück. Bereits gewählt ist Hannes Germann (SVP), 67-jährig, seit 2002 im Amt und damit dienstältester Ständerat der Schweiz. Ein neues, linkes Gesicht würde daneben bestimmt erfrischend aussehen. 

Gruslig in Genf

Von der Mitte über die SVP bis zum rechtspopulistischen Mouvement Citoyens Genevois (MCG) kam es in Genf zum Schulterschluss. Mit dramatischen Folgen: Das MCG konnte seinen Wähler:innenanteil mehr als verdoppeln und liegt nun bei 12 Prozent, und auch die SVP konnte um 1,6 Prozentpunkte auf 15,3 Prozent zulegen. Die FDP hingegen verlor über 2 Prozentpunkte (neu 15,7 Prozent), das Kuscheln mit den Rechtspopulist:innen zahlte sich nicht aus. Noch schlimmer als der FDP erging es aber den Grünen und den Linksaussen-Listen Ensemble à Gauche: Die Grünen verloren über 9 Prozentpunkte und einen ihrer drei Sitze, die linksaussen Bündnisse verloren ihren einzigen Sitz und brachen von über 7 Prozent auf 4 Prozent Wähler:innenanteil ein. Der linke Einbruch und der Mitte-Rechts-Schulterschluss sind besonders alarmierend, weil Genf gleich zwei der wenigen linken Ständerät:innen stellt und beide Sitze nun gefährdet sind. Sowohl die Grüne Lisa Mazzone wie auch Carlo Sommaruga von der SP wurden im ersten Wahlgang vom MCG-Kandidaten Mauro Poggia überflügelt, auf Rang vier folgt die SVP-Vertreterin Céline Amaudruz. Das absolute Mehr erreichte aber niemand. Da die Kandidierenden der Mitte und der FDP nicht mehr antreten, kommt es nun zum Duell von Rot-Grün gegen Rechtsaussen.