Björk in Zürich: Uterus aus der Zukunft
Björk betritt die Bühne des Hallenstadions als bordeauxrot-glitzernder Uterus, von ihren Schultern hängen flauschige Eileiter und daran giftgelbe Eierstöcke, die über dem Boden wippen, wenn die Sängerin ihren Körper dreht. Ein Kostüm extra fürs Publikum in Zürich; bisher gab es an jedem Konzert der aktuellen Tour ein anderes Kostüm zu sehen, viel Sorgfalt für diese Popdimension. Björk steht auf einer weissen Plattform mit pilzartig verziertem Fuss, zu ihrer Seite ein Schlagzeuger, der die wuchtigen digitalen Beats ansteuert, um sie herum ein Ensemble aus einer Harfe und sieben Querflöten. Auf filigranen Vorhängen pulsieren, tanzen und ranken sich humanoide Gewächse und mikrobiologische Strukturen. Mit ihrer überragenden Stimme, unverkennbar feenhaft und verschroben, die auch in dieser Halle fast schon intim klingt, ist Björk in jedem Moment das Zentrum dieses biophilen Spektakels – eine Diva, unbedingt, aber auch viel zu bizarr, als dass sich hier alles um sie drehen würde.
Schon lange sind ökologische Bilder in Björks Werk wichtig. So wirkt es nicht aufgestülpt, wenn sie über einen projizierten Text für den Tag nach der Klimakrise schon mal das matriarchale Utopia ausruft; oder wenn uns vor der Zugabe gar eine riesige Greta Thunberg von der Leinwand ins Gewissen redet. Wenns ein paar genervt hat, umso besser.
Die projizierten Animationen, vielleicht von Lamellen, Ranken, Häuten, Geflechten oder Sporen, mögen zuweilen an Bildschirmschoner erinnern. Aber wir sind hier auch nicht bei der Naturromantik von Fantasy oder Walt Disney, eher auf einem Pilztrip in der Innenstadt. Deutlicher und eindrücklicher wird der Futurismus von Björk sowieso in der Musik. Noch immer arbeitet die inzwischen 58-jährige Isländerin mit den Cool Kids des Pop, auf ihrem Album «Utopia» (2017), von dem sie zu Beginn ein paar Stücke spielt, etwa mit Beat-Avantgardist:in Arca, auf dem neusten Album, «Fossora» (2022), mit Kasimyn vom indonesischen Duo Gabber Modus Operandi.
Geradezu plastisch klingt dessen hämmernder Beat im Stück «Atopos», sodass man dieses simulierte Schlagwerkzeug gerade deutlicher vor Augen sieht als die Bassklarinette, die daneben spielt. Treffend inszeniert solche Verwirrungen der Wahrnehmung zwischen Mensch und Maschine einmal der Keyboarder und «Musical Director», der nun als Perkussionist auftritt. In einem Wasserbecken entlockt er ein paar Schüsseln unwirklich gurgelnde Geräusche und lässt sie dann wie monströse Pauken klingen.
Eine Spielerei, eine theatralische Erweiterung auf der grossen Bühne, aber wie all die einzelnen Elemente an diesem Abend fügt sich das ein in eine nahtlose Inszenierung der neusten Musik von Björk, die sich immer wieder dorthin bewegt, wos interessant ist im Pop. Oder wie sie selber bei der Vorstellung der Musiker:innen proklamiert: «Flutes rock!»