Der pragmatische Sozialdemokrat

Wer liebt sie nicht? Starke Männer. Männer, die sich nicht von kindischer Ideologie leiten lassen, von abwegigen Träumereien und wirren Utopien, sondern von Vernunft und Pragmatismus. Die Schweiz ist kein Ort für Utopien. Das gilt auch für das Bundesratszimmer. 

Dort sitzt seit rund hundert Tagen Beat Jans und ist für das Asylwesen verantwortlich. Gestern blickte er in einer Medienkonferenz nicht nur auf seine ersten hundert Tage im Amt zurück, sondern er erlaubte sich auch einen Blick nach vorn – und teilte seine politische Vision: «Zämme gohts besser». Das mag erst einmal wie ein sanftes Motto erscheinen. Beat Jans – doch ein Softie? Keine Sorge. Wichtiger ist ihm, wer in diesem «zämme» nicht enthalten ist. Leute aus den Maghrebstaaten zum Beispiel, deren Asylgesuche künftig in der ganzen Schweiz in 24-Stunden-Verfahren abgefertigt werden. Oder auch Geflüchtete, die am Wochenende ein Asylzentrum aufsuchen. Die werden jetzt am Eingang abgewiesen. «Zämme gohts besser»: Sollen sie doch auf der Strasse schlafen.

Gemeinsam Lösungen zu suchen, das sei Beat Jans am allerwichtigsten, «noch wichtiger sogar als das Parteibüchlein». Schon vor ein paar Wochen betonte er, dass es keine linke Politik sei, bei Problemen wegzuschauen. Das mag stimmen; ist ja auch keine besonders steile Aussage. Linke Politik ist es allerdings auch nicht, sich in Problemfeldern als kühler Kopf profilieren zu wollen, wenn diese in erster Linie bestehen, weil sie von rechts bewirtschaftet werden. Menschen sind keine Probleme, und ein Notstand im Asylsystem wird schon seit Jahrzehnten herbeigeredet. Von jenen Kräften, die davon profitieren. Von Leuten wie Christoph Blocher, der in seiner Amtszeit als Asylminister die Zahl der Unterbringungsplätze kurzerhand halbiert hat. (WOZ Nr. 40/23

In der Schweizer Politiklandschaft ist Pragmatismus nämlich bloss bei Linken eine Tugend. Sie wird von einer rechtsbürgerlichen Ratsmehrheit unter lautem Getöse permanent eingefordert. Diese Mehrheit beansprucht die Vernunft allein für sich, verwechselt sie aber mit Härte. Für einmal nicht davor einzuknicken – das wäre wirklich stark.

WOZ Debatte

Diese Debatte ist abgeschlossen. Diskutieren Sie bei unseren aktuellen Themen mit! Wenn Sie eine Anmerkung zu diesem Artikel haben können Sie auch gerne einen Leser:innenbrief schreiben.

Kommentare

Kommentar von Manuel123

Mi., 03.04.2024 - 21:20

Genau, natürlich bestehen diese Probleme lediglich, weil sie von Rechts bewirtschaftet werden.
Ähm, leider nein, die existieren tatsächlich, Herr Tobler. Aber natürlich kann nicht sein, was nicht ins ideologische Weltbild passt. Asylbewerber:innen geniessen schliesslich eine Absolution von der selbst spätmittelalterliche Geistliche nur träumen konnten. So verrennt sich die Linke, denn das stützt nicht mal eine Mehrheit der Basis, glücklicherweise.