Imane Khelif: Zweite Runde vor Gericht

Imane Khelif klagt. Die algerische Boxerin stand bekanntlich im Zentrum einer ausgelassenen Shitstorm-Party, nachdem sie es gewagt hatte, als Frau in einem starken Körper zu existieren. Im Achtelfinal der olympischen Boxwettkämpfe hatte sie ihre Gegnerin Angela Carini aus Italien k. o. geschlagen – nach nur 46 Sekunden. Wie konnte das sein? Das Urteil des Internets war schnell gefällt: Bei Khelif musste es sich um einen Mann handeln. Beweise? Zwei Tests, die niemand gesehen hat und von denen niemand weiss, was überhaupt geprüft wurde und zu welchen Ergebnissen sie führten. Was wir wissen, ist, dass Imane Khelif infolge der Tests von der Boxweltmeisterschaft 2023 disqualifiziert wurde. Der Grund ist unbekannt. Bekannt ist nur, dass es sich nicht (!) um Testosterontests handelte. Das olympische Komitee befand die Tests für irrelevant und stellte klar: Imane Khelif ist eine cis Frau.

Kein Hindernis für die Frontkämpfer:innen der Anti-Trans-Brigaden vom halbohrigen Donald Trump über Italiens Präsidialfaschistin Giorgia Meloni bis zu rechten Trol­lprojekten wie «Weltwoche» oder Nius. Allesamt verbreiteten sie die Mär vom «biologischen Mann», der vor den Augen der Welt eine Frau bewusstlos schlägt und sich dafür feiern lässt. Ganz vorne dabei – say it with me – J. K. Rowling, Autorin Tausender trans-, frauen- und intelligenzfeindlicher Tweets sowie einiger Bücher. Dicht hinter ihr Elon Musk, «Daniel Düsentrieb des Spätkapitalismus» («Konkret») und Vater einer transgeschlechtlichen Tochter, die ihn hasst. Rowling und Musk sind namentlich in der Hatespeechklage genannt, die Khelifs Anwalt Nabil Boudi am Dienstag in Paris eingereicht hat.

Die gruselige Besessenheit von Transfeinden mit den Geschlechtsorganen fremder Leute kann man leider nicht wegklagen. Wir können nur auf etwas Genugtuung für Imane Khelif hoffen, die völlig unprovoziert in einen Strudel aus Hass und Schäbigkeit geriet. Und eine Lehre daraus ziehen: Wo trans Frauen nicht anerkannt werden, wächst der Druck auf alle Frauen, ihre Weiblichkeit zu beweisen, zu verdienen, zu performen.

Hass auf trans Frauen ist Frauenhass, ob im Sport oder anderswo. Die nun Beklagten haben noch einmal Glück, dass Goldmedaillenträgerin Khelif den Rechtsweg geht, statt zu tun, was sie am (welt)besten kann.

Özge İnan wurde durch ihre politischen Twitter-Beiträge bekannt. Ihren Account hat sie zwar inzwischen gelöscht, aber noch immer kommentiert sie pointiert das Zeitgeschehen. An dieser Stelle lesen Sie immer freitags ihre Kolumne, in der sie auf die laufende Woche zurückblickt.