Jung, rechts, extrem?!

Das Cover des «Spiegels» vom 14. September wird geziert von einem blauen Sneaker mit rotem AfD-Pfeil, darauf der Titel: «Jung, rechts, extrem». Im Diskurs um den Rechtsruck in Deutschland scheint sich eine neue Projektionsfläche gefunden zu haben: «die Jugend». Das ist verkürzt und gefährlich.

Natürlich durchzieht der Rechtsruck auch jüngere Generationen. Rechte Ideologien haben sich in einigen Orten Ostdeutschlands wirklich zur hegemonialen Jugendkultur entwickelt. Das ist bedrohlich und darf nicht kleingeredet werden. Trotzdem finde ich es falsch, wenn Deutschlandfunk mit «Warum Jugendliche AfD wählen» und der WDR mit «Jung, cool, rechtsextrem» titelt. Warum? Weil Junge Alternative, Nationalrevolutionäre Jugend, Elblandrevolte und all die neonazistischen Jugendgruppen dieses Narrativ dankend annehmen, sich dabei ins Fäustchen lachen und an Fahrtwind gewinnen.

So wie es 2019 falsch war, einhellig von einer «Klimajugend» zu fabulieren, ist es heute falsch, eine «Nazijugend» heraufzubeschwören, denn dieses Narrativ dient, wie so oft, als Projektionsfläche: Mal ist Sachsen das rechte Problem Deutschlands, mal ist es der «rechte Rand», und heute sind es «die Jugendlichen». Wovon all diese Projektionen ablenken? Von einer Demokratiekrise, die das ganze Land betrifft, von der rechten Unterwanderung von Institutionen, von der Verantwortung, die alle Generationen zur Bekämpfung von Faschismus tragen.

Ein Blick auf die Landtagswahlergebnisse in Sachsen: 31 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben AfD gewählt. Unter den 25- bis 34-Jährigen waren es 28 Prozent. Unter den 60- bis 69-Jährigen sogar 34 Prozent. In fast allen Altersgruppen haben mindestens 30 Prozent der Wähler:innen für die AfD gestimmt. Lediglich diejenigen mit einem Alter über siebzig stellen einen grösseren Ausreisser dar, mit 24 Prozent der Stimmen für die Extremrechten.

Auf mich wirkt das so: Ein Grossteil der überalterten Mehrheitsgesellschaft, der für diese Misere genauso verantwortlich ist wie die Jugendlichen, sucht einen Sündenbock, um nicht über sich selbst sprechen zu müssen. Das ist kein neues Phänomen – wer setzt sich schon freiwillig mit dem eigenen Demokratiedefizit auseinander, wenn sich diese Auseinandersetzung auch an eine vulnerablere Gruppe abschieben lässt? Undemokratisch sind die anderen! Für all die demokratischen Jugendlichen fühlt sich das falsch und pauschalisierend an, vor allem weil es am Ende nur den Neonazis nützt und dem gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck nicht gerecht wird.

Jakob Springfeld (22) ist eines der Gesichter der linken Gegenöffentlichkeit Ostdeutschlands. Sein 2022 erschienenes Buch «Unter Nazis» trägt auch deshalb den Untertitel «Jung, ostdeutsch, gegen Rechts». In seiner wöchentlichen Kolumne berichtet er bis zum Jahresende jeweils freitags aus seiner Lebensrealität als antifaschistischer Aktivist in Sachsen.