Einen Arbeitskampf, «wie ihn die Republik lange nicht erlebt hat», kündigte Daniela Cavallo, Betriebsratschefin beim deutschen Volkswagenkonzern, am vergangenen Wochenende an. Und heute brach er los: An fast allen deutschen Standorten wurde gestreikt, insgesamt legten mehr als 10 000 Beschäftigte zeitweise die Arbeit nieder.
Historisch ist das noch nicht, auch 2018 gab es bei VW flächendeckende Warnstreiks, für mehr Lohn und eine verbesserte Altersvorsorge. Nun allerdings ist der Streitwert deutlich höher: Schon im September hatte das VW-Management eine für 120 000 Beschäftigte und seit deissig Jahren gültige Beschäftigungsgarantie aufgelöst, auch Standortschliessungen und Massenentlassungen stehen seither im Raum. Mit dieser Drohkulisse im Rücken forderte der Konzern pauschale Lohnkürzungen um zehn Prozent und eine tarifliche Nullrunde. Der Grund: ein Gewinneinbruch bei VW von gut 60 Prozent gegenüber 2023.
So zynisch es klingt: Stellenabbau und Werksschliessungen sind in Deutschland eigentlich keine News mehr. Die Wirtschaft schwächelt seit der Coronakrise, und der industrielle Sektor verliert mehr und mehr seine Rolle als Wachstumsmotor, auch weil der Umstieg auf grüne Technologien in vielen Bereichen systematisch verschleppt wurde.
Wenn das VW-Management sein Versagen nun auf dem Rücken der Beschäftigten austragen will, sollte das nicht nur die Belegschaft des Konzerns in Alarmbereitschaft versetzen. Volkswagen gilt als Prototyp des deutschen Modells der Sozialpartnerschaft, geprägt durch Mitbestimmung, gute Löhne und eine starke gewerkschaftliche Organisation. Kaum irgendwo gelten Gewerkschaften als so taktgebend und mächtig wie im Volkwagenkonzern. Wenn es gelingt, die Organisationsmacht der Beschäftigten hier zu brechen, dann ist das auch ein Zeichen an andere Industrieunternehmen, dass das überall gehen kann. Man sollte also hoffen, dass Daniela Cavallo mit ihrer Ankündigung vom Wochenende recht behält.