Schutzstatus S: Stark eingeschränkt!

In der Asylbewegung gibt es die gute Tradition, die Opfer der Flüchtlingspolitik beim Namen zu nennen. Alljährlich am «Flüchtlingssonntag» werden Namen der mittlerweile mehr als 60 000 Menschen verlesen, die in den letzten Jahrzehnten durch die europäische Grenzabwehr getötet wurden. Beteiligt sind an der Aktion in Schweizer Städten jeweils auch die Kirchen.

Vielleicht wird es Zeit, auch die Tä­ter:in­nen beim Namen zu nennen, die im Parlament zur Aushöhlung des Asylrechts beitragen. Auch dabei wäre eine Beteiligung der Kirchen durchaus wünschbar, stammen doch die Po­li­ti­ker:in­nen, die in den Abstimmungen den Ausschlag geben, oft aus der Mitte-Partei, der Nachfolgeorganisation der früheren christlichen Volkspartei CVP.

Hier jedenfalls ist schon einmal die Liste mit den Mitte-Mitgliedern, die am Montag im Nationalrat dafür stimmten, dass der Schutzstatus S für Ukrai­ner:in­nen stark eingeschränkt wird. Es sind Martin Candinas (Graubünden), Pius Kaufmann (Luzern), Leo Müller (Luzern), Nicolo Paganini (St. Gallen), Thomas Rechsteiner (Appenzell-Innerrhoden), Markus Ritter (St. Gallen) und Elisabeth Schneider-Schneiter (Baselland). Wegen ihrer Stimmen werden künftig nur noch Personen aus der Ukraine vorübergehend aufgenommen, «die ihren letzten Wohnsitz in ukrainischen Regionen hatten, die ganz oder teilweise durch Russland besetzt sind oder in denen mehr oder weniger intensive Kampfhandlungen statt­finden».

Vergeblich erklärten die Ratslinke, die GLP und Justizminister Beat Jans, dass es in der Ukraine praktisch täglich Luftalarm gebe, Russland wahllos auf Ziele im ganzen Land schiesse, kürzlich sogar eine Mittelstreckenrakete auf die Grossstadt Dnipro abgefeuert habe. Gerade am Montag traf ein Drohnen­angriff in Ternopil ganz im Westen ein Wohnhaus, tötete eine Person und verletzte mehrere weitere. Abgesehen davon, so warnten die Kri­ti­ker:in­nen, öffne der schwammige Begriff von «mehr oder weniger intensiven Kampfhandlungen» willkürlichen Entscheidungen Tür und Tor.

Hätten die sieben Mitte-Poli­ti­ker:in­nen anders gestimmt, hätte es SVP und FDP nicht zu einer Mehrheit gereicht. So aber wird ein wesentlicher Bestandteil einer Motion der St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli umgesetzt. Diese hätte am liebsten auch noch alle Alten, Frauen und Kinder zurückgejagt, die aus angeblich friedlichen Gebieten in der Ukraine stammen. Hier mochten der kaltherzigen Friedli nicht einmal mehr die FDP-Abgeordneten folgen.

Der Entscheid vom Montag sendet ein fatales Signal an die Ukraine: dass die Hilfsbereitschaft der Schweiz an ihr Ende komme, der Krieg doch gar nicht das ganze Land betreffe, dass man sich lieber nicht mehr damit abgeben möchte. Der Entscheid ist aber auch egoistisch gegenüber den europäischen Nach­bar:in­nen, die bei der Aufnahme Geflüchteter aus der Ukrai­ne bisher eine gemeinsame Politik verfolgt haben. Der Einzige, der sich über die Ignoranz und den Egoismus des Schweizer Parlaments freuen kann, ist der wegen seiner Kriegsverbrechen international zur Fahndung ausgeschriebene russische Diktator Wladimir Putin.

Gewiss, die Aufnahme der Ukrai­ner:in­nen verursacht Probleme. Allerdings nicht für die Schweizer Mehrheitsgesellschaft, sondern für die vorläufig Aufgenommenen aus anderen Staaten: Diese sind in ihren Rechten deutlich schlechter gestellt, insbesondere bei der Reisefreiheit ins europäische Ausland. Statt einer Nivellierung nach unten wäre eine nach oben viel wirksamer: Der Status S und die vorläufige Aufnahme F könnten zu einem humanitären Schutzstatus verknüpft werden, wie ihn auch die EU kennt. Ein solcher Schutz würde der staatlich produzierten Unsicherheit durch das S und das F endlich ein Ende setzen – und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration von Kriegsflüchtlingen ­beschleunigen.

Dazu ist leider nichts zu hören in Bern, schon gar nicht aus der angeblich so konstruktiven Mitte.