Oh Österreich: Ehrlich und gefährlich

In Österreich hat sich kürzlich ein kleiner Bürger aus Kärnten selbst zum «Volkskanzler» ernannt. Denselben Begriff verwendete das nationalsozialistische Hetzblatt «Völkischer Beobachter» 1933 für Adolf Hitler. Bei demjenigen, der sich diesen verseuchten Titel kürzlich umgehängt hat, handelt es sich um denselben, der sich nicht davor gescheut hatte, Asyl­wer­ber:in­nen in Auffanglagern «konzentrieren» zu wollen; nämlich um den voraussichtlich nächsten österreichischen Bundeskanzler, Herbert Kickl von der FPÖ, die 1955 von ehemaligen Nationalsozialisten gegründet wurde.

In der ersten Regierung des längst abgesetzten und aktuell in mehrere Strafverfahren involvierten Korruptionskanzlers Sebastian Kurz (2017–2019) war Kickl Innenminister und stand in dieser Zeit unter Beobachtung der Extremismusabteilung seines eigenen Ministeriums, weil er bei einer Versammlung europaweit vernetzter Rechtsextremer als Redner aufgetreten war. Mittlerweile haben sich die Rechtsaussenbataillone diverser Länder im Europaparlament zu gespenstischen Fraktionen zusammengeschlossen, die Demokratie als Knetmasse betrachten, die zu zerbröseln sie als ihre Aufgabe sehen. Die FPÖ schwelgt dazu pünktlich in Feierlaune, war doch Österreich vor genau 25 Jahren das erste Land in Europa, das Neofaschist:innen in der Regierung hatte. Damals hatte das noch europaweit zu Sanktionen geführt. Heutzutage ist die Aufregung weitaus geringer, sind doch mittlerweile schon an sieben Regierungen in der europäischen Gemeinschaft neofaschistische Gruppierungen beteiligt.

Dass die FPÖ bei den Nationalratswahlen im letzten Herbst 28,8 Prozent und damit die meisten Stimmen bekam, wirkt wie die traurige Ausscheidung eines gesellschaftlichen Trübsinns, der sich gegenwärtig ungestüm und allerorts auszubreiten scheint. Der Blick vieler ist offensichtlich auf ein halb volles Glas gerichtet, das allerdings als halb leer betrachtet wird. Dabei hätte das Glas doch längst schon mit Flüssigkeiten befüllt werden können, die von Ingredienzien befreit sind, die die gesellschaftlichen Zustände derart zuspitzen wie der kaltblütige Konkurrenzkapitalismus es eben so macht.

Der angehende Bundeskanzler Kickl verkündete dieser Tage, er werde Österreich «ehrlich» regieren. «Ehrlich» reimt sich in diesem Fall perfekt auf «gefährlich». Der Schatten, den nun wiederum dieses Wort auf das Geschehen wirft, er hat einen Namen: «autoritär». In diesem gruseligen Schatten soll sich die arglose und sich gemeinhin doch so beliebt fühlende österreichische Bevölkerung nun endlich mal richtig gemütlich zusammensetzen, schön und ordentlich. Nur: Wer stört, muss draussen bleiben oder hat gefälligst den Mund zu halten.

Markus Binder ist Musiker, Schlagzeuger und Texter der österreichischen Kultband Attwenger. Als Autor schreibt er Artikel und Essays für unterschiedliche Medien und veröffentlicht daneben eigene Belletristik.