Feuer für das Klima
Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, dürfte jeder Mensch rein rechnerisch nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Jahr ausstossen. Doch der CO2-Verbrauch ist extrem ungleich verteilt: Je vermögender eine Person ist, desto mehr klimaschädliche Emissionen produziert sie. Unter den reichsten zehn Prozent der Menschheit stösst jede Person im Schnitt fast dreissig Tonnen CO2 pro Jahr aus. Beim reichsten Prozent ist der Ausstoss noch drastischer: Ganze hundert Tonnen CO2 sind es hier. Bereits am 10. Januar eines Jahres hat also das reichste Prozent der Menschheit sein CO2-Budget aufgebraucht. Danach geht ihr Lebensstil auf Kosten der restlichen Weltbevölkerung.
Im Vergleich zum Lifestyle von Milliardär:innen wirken diese Werte jedoch wie Peanuts. Die Anthropolog:innen Beatriz Barros und Richard Wilk haben den privaten CO2-Austoss zwanzig bekannter Milliardär:innen unter die Lupe genommen, Datenbanken durchforstet, Jachten, Villen und Privatjets in ihre Kalkulationen einbezogen. Et voilà: Im Schnitt kommen die analysierten Überreichen auf einen CO2-Ausstoss von fast 8200 Tonnen pro Jahr. Der russische Milliardär Roman Abramowitsch führt die Liste der Klimasünder an: Er kommt auf über 32 000 Tonnen CO2. Auch der neueste Freizeitspass unter den Überreichen schlägt massiv zu Buche: Jeff Bezos hat durch seinen elfminütigen Abstecher ins All so viele klimaschädliche Treibhausgase verursacht wie ein Mensch der ärmeren Hälfte in seinem gesamten Leben. Wenn man zum Lifestyle noch die Investitionen in die Berechnungen einbezieht, wird es noch einmal perverser: Dann ist der CO2-Verbrauch eines Milliardärs so hoch wie der von einer Million Menschen, die zur ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung zählen.
Bedeutender noch als der individuelle CO2-Fussabdruck von Einzelpersonen ist der Ausstoss milliardenschwerer Öl- und Gaskonzerne: Die zwanzig grössten Mineralölunternehmen verursachten zwischen 1965 und 2017 ganze 480 Milliarden Tonnen an Emissionen. Dies entspricht 35 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum. Und wer profitiert von den Gewinnen dieser Unternehmen? Eben doch wieder überreiche Einzelpersonen.
Der Lebensstil von Überreichen ist aber nicht nur hyperluxuriös und die Wirtschaftsweise gigantischer Konzerne eben nicht nur profitabel. Nein, beides ist auch zerstörerisch und im zunehmenden Ausmass sowie im wortwörtlichen Sinn mörderisch. Gemessen an den Emissionen zwischen 1850 und 2015, waren die Länder des Globalen Nordens, die 14 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten, für 92 Prozent aller Emissionen verantwortlich. Doch 98 Prozent aller Todesfälle, die durch die Klimakrise im Jahr 2010 ermittelt wurden, wurden im Globalen Süden betrauert. Ein zynisches Trauerspiel. Und ein entscheidender Grund mehr, mit hohen Steuern, Abgaben und Verboten entgegenzuwirken – damit die Verursacher:innen endlich in ihre atmosphärischen Grenzen gewiesen und zur Verantwortung gezogen werden. Die Freiheit der wenigen darf nicht weiter zur mörderischen Last der vielen werden.
An dieser Stelle lesen Sie immer freitags einen Text von Martyna Berenika Linartas. Linartas forscht zu Vermögensverteilung und Umverteilung. Dazu lehrt sie in Berlin und in Koblenz. 2022 hat sie die Wissensplattform ungleichheit.info mitgegründet. Im Frühjahr 2025 erscheint ihr Buch «Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann».