Überreichtum und Demokratie sind unvereinbar

Überreichtum erzeugt Macht, Macht erzeugt Überreichtum. Aktuell beobachten wir in Echtzeit, wie die Macht der Überreichen unser aller Demokratien zerfrisst. Die USA und Argentinien geben einen dystopischen Vorgeschmack auf das, was auch uns in Europa bevorstehen könnte. Elon Musk kauft sich Twitter, Jeff Bezos die «Washington Post», und Marc Zuckerberg gibt in vorauseilendem Gehorsam den Faktencheck bei Meta auf. Die Präsidenten der USA und Argentiniens, Donald Trump und Javier Milei, haben an der Spitze des Staates zum höchsten Ziel die Schwächung desselbigen erklärt. Auch wenn die Prozesse bei uns nicht derart offensichtlich sind: Auch in Europa tritt das Zusammenspiel von Libertären und Rechten immer offener zu Tage. Auch hier besitzen Überreiche und Libertäre ganze Medienhäuser. Nicht weil sie etwa gerne Zeitung lesen. Es geht um Macht – viel Macht – und um den Einfluss auf Politik und Gesellschaft.

Die Möglichkeiten, wie Überreiche Einfluss ausüben können, sind vielschichtig: Sie können als Einzelpersonen oder als organisierte Interessengruppen Lobby- und Kampagnenarbeit finanzieren, Denkfabriken, Clubs oder Stiftungen ins Leben rufen oder Verlage, Medienhäuser und soziale Netzwerke gründen, kaufen und leiten – und derart auf Politik und Gesellschaft einwirken. Überreiche investieren Millionen, weil es ihnen um Milliarden geht. Mit ihren Millionen gestalten sie Narrative und prägen unser aller Meinungen. Sie geben diese horrenden Summen auch aus, um sich und ihre Unternehmen aus der Verantwortung für die Finanzierung unseres Gemeinwesens herauszuwinden. Sie nutzen die Infrastruktur, Kitas, Schulen und Universitäten, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, das Gesundheitswesen. Doch Steuern zahlen soll das gemeine Volk. In der Natur nennt man dieses Verhalten im Übrigen parasitär.

Die Steuerpolitik ist denn auch der Bereich, in dem laut Recherchen des Vereins Finanzwende das meiste Geld für Lobbyarbeit auf den Tisch gepackt wird. Denn Überreiche und ihre Macht gedeihen, wenn Staaten schwach sind. Steuern wiederum sind es, die den Staat stark machen. Entsprechend ist es nachvollziehbar, dass Gegner:innen der Demokratie als allererstes die Steuern für die Überreichen senken wollen. Es ist an der Politik und der Zivilgesellschaft, an just dieser Stelle einzuhaken. Andernfalls droht uns ein Erwachen in einem Alptraum, der für die USA gelebte Realität ist und die der Historiker Timothy Snyder als mafiös, wirtschaftlich libertär, oligarchisch und faschistoid beschreibt. Wie sich die Konzentration von Überreichtum und Einfluss bekämpfen lässt? Durch Steuern auf hohe Vermögen.

An dieser Stelle lesen Sie immer freitags einen Text von Martyna Berenika Linartas. Linartas forscht zu Vermögensverteilung und Umverteilung. Dazu lehrt sie in Berlin und in Koblenz. 2022 hat sie die Wissensplattform ungleichheit.info mitgegründet. Im Frühjahr 2025 erscheint ihr Buch «Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann».