Alle Kinder an die Börse!

Eine Studie der Hochschule Luzern rüttelt die Schweizer Öffentlichkeit auf: Das Geld unserer Kinder ist unterinvestiert! Eltern wollen für die Zukunft ihrer Kinder sparen, lassen das Geld aber zu lächerlichen Zinsen auf Sparkonten darben, statt es anzulegen. (Zahlen dazu, wie viel die Generation Goldstandard mit Goldvreneli-Investments für die Enkel:innen verhauen hat, liefert die Studie leider keine.)

Hinter dem Aufruhr steht ein PR-Kinderkreuzzug: Die Studie wurde von einer Vermögensverwaltung namens True Wealth in Auftrag gegeben, um etwas gegen diese Brachwirtschaft zu unternehmen. Denn Kinder haben, so darf True Wealth bei «Watson» in einem Werbebeitrag schreiben, einen besonders «langen Anlagehorizont». Heisst: Weil sie eben oft noch recht lange leben, dürfen sie Profite an den Aktienmärkten erleben, die man sich als erwachsener Mittelständler gar nicht auszumalen traut.

Vor etwas mehr als hundert Jahren begannen die ersten Erziehungsratgeber zu empfehlen, Kindern Taschengeld auszuzahlen. Ihren Siegeszug trat die Idee dann in der Nachkriegszeit an – im Umgang mit dem eigenen Geld sollten Kinder zu vernünftigen Konsument:innen erzogen werden, eine Balance zwischen Verschwendung und Sparsamkeit finden. Besonders grausame Eltern koppelten die Auszahlung an Fronarbeit im Haus: Solange der Geschirrspüler nicht ausgeräumt ist, gibts keinen Batzen.

Doch nun ist Schluss mit Ämtliplan: Nicht mehr die Kinder sollen arbeiten lernen, sondern ihr Geld. Noch vor dem Frühfranzösisch lässt man sie sich in «Financial Literacy» üben. So ermöglichen auch die Kinderportfolios von True Wealth, dass Kinder oder Teenager regelmässig ihre «Anlagestrategie anpassen» – natürlich unter Aufsicht ihrer Eltern.

Süssigkeiten vom Kiosk sind von gestern: Heute wird Gordon Gekko aufs Zimmer geschickt, um seinen Anlageplan noch mal zu überdenken, bevor er schon wieder fehlinvestiert. «Das Kind erlebt live, dass der Wert des Vermögens schwankt.» Hat es genug diversifiziert, wird es merken: Sein Portfolio erholt sich wieder – spätestens dann, wenn Papi Grosis Haus verkauft, um Filius eine weitere Business Opportunity zu ermöglichen.