Tax the rich – aber richtig
Seit Jahrzehnten sind Demokratien Hochsteuerländer für Einkommen, aber Niedrigsteuerländer für Vermögen. Eigentlich gilt in Demokratien das Leistungsfähigkeitsprinzip: Wer mehr leisten kann und wer am meisten vom System profitiert, sollte auch mehr zum Gemeinwesen beitragen. Doch de facto wurden unsere Steuersysteme derart verhunzt, dass im gesamten DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) Familien aus der Mittelschicht höhere Steuersätze und Abgaben zahlen als Millionär:innen und Milliardär:innen. Oder anders ausgedrückt: Menschen, die über gigantische Vermögen verfügen oder viel erben, zahlen prozentual weniger und tragen entsprechend weniger zum Gemeinwesen bei als hart arbeitende Menschen.
Wenn wir die Reichen endlich zur Verantwortung ziehen, das Leistungsfähigkeitsprinzip anwenden und unsere Demokratien stärken wollen, müssen wir die Reichen besteuern – und das ist nur möglich, indem wir direkt an die Vermögen rangehen. Der Grund ist simpel: Überreiche erzielen vor allem passives Einkommen, ihr Vermögen «arbeitet» für sie. Eine Vermögenssteuer trifft direkt dieses Vermögen und wirkt indirekt wie eine Steuer auf passive Einkommen.
Dazu gibt es eine klasse Nachricht: Ein Gros der stärksten Wirtschaftsnationen hat sich auf einen ausgetüftelten Plan geeinigt, wie sie dies künftig bewerkstelligen wollen. Während der G20-Präsidentschaft seines Landes schlug der brasilianische Präsident Lula da Silva eine Milliardärssteuer vor. Das Konzept wurde vom Ökonomen Gabriel Zucman entwickelt. Gemäss Zucmans Plan sollen die Milliardär:innen der Welt – circa 3000 Personen an der Zahl – eine Vermögensteuer in Höhe von zwei Prozent zahlen und damit effektiv so viel Steuern auf ihr (passives) Einkommen entrichten wie Spitzenverdiener:innen auf ihre Arbeitseinkommen. Die Steuer könnte auch auf Centimillionär:innen ausgedehnt werden. Je nach Ansatz könnte die Milliardärssteuer jährlich zwischen 242 und 377 Milliarden US-Dollar an Einnahmen generieren, die der Allgemeinheit zugutekommen könnten.
Laut Zucman ist ein gemeinsamer Standard für eine Milliardärssteuer technisch machbar, «selbst wenn nicht alle Länder ihn übernehmen, liesse er sich durch strengere Wegzugssteuern und zusätzliche Mechanismen zur Steuereintreibung erfolgreich umsetzen», betont er in seinem Bericht. Die Kosten für die Erhebung einer solchen Steuer wären nach Berechnungen vom Netzwerk Steuergerechtigkeit mit denen der Einkommensteuer vergleichbar. Kurzum, es gibt keine stichhaltigen empirischen Gründe, die gegen eine solche Steuer sprechen. Von der gesamten Gruppe der G20-Staaten haben lediglich die USA und Deutschland – unter Führung des damaligen neoliberalen Finanzministers Christian Lindner – den Vorschlag abgelehnt. Doch dank der Wahlschlappe der FDP können wir Lindner und dessen Bedenken getrost beiseiteschieben.
An dieser Stelle lesen Sie immer freitags einen Text von Martyna Berenika Linartas. Linartas forscht zu Vermögensverteilung und Umverteilung. Dazu lehrt sie in Berlin und in Koblenz. 2022 hat sie die Wissensplattform ungleichheit.info mitgegründet. Im Frühjahr 2025 erscheint ihr Buch «Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann».