Die 500-Milliarden-Euro-Kehrtwende
Friedrich Merz (CDU), höchstwahrscheinlich der nächste Bundeskanzler und bis dato erklärter Gegner einer Reform der Schuldenbremse, verkündete gestern eine Kehrtwende. Gemeinsam mit der SPD wolle man ein grosses Verschuldungsprogramm auf den Weg bringen – mit den alten Mehrheiten im Bundestag, um nicht auf Stimmen der Linken oder der AfD angewiesen zu sein.
Was ist geplant? Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll künftig für Verteidigungsausgaben nicht mehr gelten. Zudem will man ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur einrichten. Für die Bundesländer werden die Verschuldungsvorgaben etwas gelockert. Und schliesslich ist bis Ende 2025 eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse vorgesehen.
Die Kehrtwende von Merz kommt nicht überraschend, denn schon lange hatten Ökonom:innen einhellig gewarnt: Das Festhalten der Partei an der Schuldenbremse sei vor dem Hintergrund der schwächelnden Wirtschaft und des bröckelnden transatlantischen Bündnisses unter Donald Trump Wahnsinn.
Dass auch viele Linke diesen Schritt beklatschen, zeigt hingegen, dass im ideologischen Fundament progressiver Kräfte etwas bedrohlich ins Rutschen geraten ist. Denn zum einen fällt der Startschuss für eine unbegrenzte Aufrüstung Deutschlands in eine Zeit, in der mit der AfD eine rechtsradikale Partei bundesweit in den Umfragen bei zwanzig Prozent steht. Zudem kann Friedrich Merz nun im Gegenzug vom wahrscheinlichen Koalitionspartner weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik oder Einsparungen beim Bürgergeld fordern.
Auch Investitionen in den Klimaschutz spielen im Papier keine Rolle – die Grünen wollen ihre Zustimmung deshalb noch abwägen.
Eines der zentralen Missverständnisse scheint jedoch zu sein, dass es bei den geplanten Vorhaben um «Ukraine-Solidarität» gehe. Dabei wird das Land im Papier nicht einmal erwähnt. Ukrainehilfen müssen weiterhin aus dem normalen Haushalt oder – wie gerade debattiert wird – über EU-Kredite finanziert werden.
Mit ihrem Vorstoss wollen CDU und SPD Deutschland wieder als wirtschaftlich und militärisch dominanten Akteur auf der Weltbühne sehen. Das hat noch nie etwas Gutes bedeutet.