Neuenburg: Stabiler Sieg der linken Allianz
Seit wenigen Stunden ist so gut wie sicher: Die Linke hat es geschafft – sie hat nach vier Jahren rechter Vorherrschaft die Mehrheit in der Neuenburger Kantonsregierung zurück. Damit wird zum ersten Mal seit 2023 überhaupt wieder ein Kanton links regiert.
Als Überraschungskanton bezeichnete «Le Temps» Neuenburg im Vorfeld der Wahlen. Da die Wählenden in der Vergangenheit immer mal wieder ein unerwartetes Verhalten an den Tag gelegt hatten, mangelte es für gestern Sonntag an verlässlichen Prognosen. Zunächst sah es nach einem bürgerlichen Erdrutschsieg aus, doch um 15 Uhr, als die Resultate aus den Städten Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds eintrafen, wo rund die Hälfte der Bevölkerung lebt, änderte sich die Reihenfolge der Kandidat:innen plötzlich: Nicht mehr die beiden FDP-Staatsrät:innen, sondern die zwei Bisherigen der SP lagen nun vorn – und erreichten gar als Einzige das absolute Mehr, womit sie definitiv gewählt waren. Die beliebte Ständerätin Céline Vara, die erstmals für die Grünen kandidierte, schnitt mit dem vierten Platz überaus gut ab (siehe WOZ Nr. 12/25).
Doch auch Sarah Blum, die für den Parti Ouvrier Populaire (POP) kandidierte, erzielte mit dem sechsten Platz ein starkes Resultat und lag nur rund 500 Stimmen hinter der Kandidatin der FDP, die es gemäss Ergebnis des ersten Wahlgangs gerade noch in die Regierung geschafft hätte. Nachdem am Sonntagabend sowohl das rechte Bündnis als auch die Grünliberalen bekannt gegeben hatte, ihrerseits auf einen zweiten Wahlgang zu verzichten, lagen alle Augen auf dem POP.
Eine linke Mehrheit, nicht mit drei, sondern gar mit vier von fünf Sitzen? Darüber dachte der POP zumindest laut nach, hätte aber hoch gepokert: Die Rechte hätte in einem zweiten Wahlgang viel zu gewinnen gehabt, und SP-Wähler:innen wären wohl schwieriger zu mobilisieren gewesen, da ihre Kandidat:innen bereits gewählt waren. Nicht nur Sarah Blums, vielleicht sogar Céline Varas Sprung in die Regierung wäre in dieser Gemengelage im Überraschungskanton nicht garantiert gewesen.
Heute Vormittag hat die vereinigte Linke schliesslich bekannt gegeben, auf einen zweiten Wahlgang zu verzichten. Sofern sich die Bürgerlichen nicht wider Erwarten umentscheiden und der Verzicht auf den zweiten Wahlgang morgen Dienstag von der Staatskanzlei bestätigt wird, ist der Plan der Linken definitiv aufgegangen. Dank eines gemeinsamen politischen Programms, auf das sich die Parteien im Vorfeld geeinigt hatten, ist der POP immerhin über die inhaltliche Setzung vertreten. Ausserdem, schreibt der Neuenburger POP-Präsident Julien Gressot am Montag auf Anfrage der WOZ, hätten Grüne und SP seiner Partei «eine Reihe von Zugeständnissen» gemacht, und sowieso seien sie überzeugt, «dass die gesamte Linke stärker ist, wenn sie zusammenarbeitet».
Obwohl sich die Linke nur für die Exekutivwahlen zusammengeschlossen hatte, war sie auch auf legislativer Ebene recht erfolgreich: Während der Anteil des POP unverändert blieb, gewann die SP ganze sechs Sitze dazu. Die Grünen verloren trotz der Mobilisierung für Céline Vara 3,7 Prozentpunkte, was sich in vier Sitzverlusten niederschlägt. Im Vergleich zur vergangenen Legislatur gewinnen die linken Parteien ganz leicht dazu und verfehlen eine Mehrheit im Kantonsparlament nur ganz knapp: Sie halten nun fünfzig von hundert Sitzen.