Syrien: Ein Schritt vorwärts – zwei zurück?
Seit Sonntag hat Syrien eine neue Übergangsregierung: 22 Minister und eine Ministerin, die das Land in den Herausforderungen der nächsten – voraussichtlich – fünf Jahre steuern sollen. Die Zusammensetzung des Kabinetts wirkt auf den ersten Blick vielfältig: Neben einer Frau, einer Christin, finden sich auch ein Alawit, ein Druse und ein Kurde – ergänzt durch Technokraten und bekannte Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft.
Nach dem Sturz Assads regierten zunächst vor allem Exfunktionäre aus Idlib oder HTS-nahe Personen Syrien. Die HTS, Haiat Tahrir al-Scham, ist die einstige islamistische Miliz, die 2017 im Gouvernement Idlib die Macht übernahm und Anfang Dezember 2024 zusammen mit einer Rebellenkoalition den Diktator Baschar al-Assad entmachtete. Inzwischen hat sich die Gruppe von ihrer dschihadistischen Vergangenheit distanziert – doch besonders vielfältig war die bisherige Übergangsregierung nicht. Sie war: männlich und sunnitisch.
Das neue Kabinett stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar. Doch gerade im Nordosten des Landes, in der kurdisch verwalteten Region Rojava, sorgt die Regierungsbildung für Unmut. Die Kurd:innen lehnen das neue Kabinett ab. Ein nachvollziehbarer Schritt, bedenkt man, dass trotz eines kürzlich unterzeichneten Abkommens zwischen Präsident Ahmed al-Scharaa und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kein:e Vertreter:in der kurdischen Selbstverwaltung in der Regierung vertreten ist. Der einzige Minister kurdischer Herkunft stammt aus Afrin – einer Stadt, die lange unter Kontrolle türkeifreundlicher Kräfte stand und ausserhalb des Kerngebiets von Rojava liegt.
Dies ist an sich eine Botschaft und sicherlich keine gute für die kurdische Verwaltung, die etwa dreissig Prozent des Landes regiert. Möglicherweise wollte man die Türkei nicht verärgern, die die SDF als Terrororganisation einstuft und deren Einfluss in der Region aktiv bekämpft. Trotzdem hätte man als eine Geste der Öffnung gegenüber den Kurd:innen, die Teil des neuen Syrien sein werden, ein Mitglied aus deren Zivilgesellschaft mit ins neue Kabinett holen können. Um zu zeigen, dass es der neue Präsident mit der politischen Teilhabe wirklich ernst meint.