Türkei: Journalist:innen im Visier

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Die türkische Regierung reagiert aktuell nicht nur gegen Demonstrant:innen mit Gewalt und Festnahmen – auch wer darüber berichtet, wird zur Zielscheibe. Seit Beginn der Proteste infolge der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu sind zahlreiche Journalist:innen von der Polizei angegriffen oder verhaftet worden. Yasin Akgül ist ein prominentes Beispiel: Bei einem Einsatz brach die Polizei dem Fotografen der Nachrichtenagentur AFP das Nasenbein, kurz darauf wurde er verhaftet. Inzwischen ist er zwar wieder frei, doch das von der Regierung geschaffene Klima der Einschüchterung bleibt. Auch ausländische Journalist:innen sind betroffen: BBC-Reporter Marc Lowen wurde letzte Woche des Landes verwiesen, der schwedische Journalist Joakim Medin ist am Samstag kurz nach seiner Ladung in Istanbul verhaftet worden.

Angriffe auf die Pressefreiheit sind in der Türkei kein neues Phänomen. Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 hat Erdoğan ein engmaschiges Netz aus Kontrolle, Einschüchterung und Zensur gespannt. Die Medienaufsicht RTÜK droht regierungskritischen Sendern regelmässig mit Lizenzentzug und verhängt hohe Geldstrafen. Zuletzt hat sie vier oppositionellen Fernsehsendern ein zehntägiges Sendeverbot erteilt. Mehrere andere Sender haben ihre Liveberichterstattung zu den Protesten aus Angst vor Sanktionen eingestellt.

Auch online setzt das Regime auf Repression: Immer wieder wird der Zugriff auf Social-Media-Plattformen eingeschränkt – eine Schikane, selbst wenn sie per VPN umgangen werden kann. Laut dem türkischen Verein für freie Meinungsäusserung (IFÖD) wurden seit İmamoğlus Verhaftung über 120 regierungskritische Social-Media-Konten gesperrt. Der X-Account des Journalisten Erk Acarer mit 1,2 Millionen Follower:innen ist nicht nur in der Türkei blockiert – er ist gänzlich von der Plattform verschwunden.

Viele türkische Journalist:innen arbeiten inzwischen im Exil – weil kritische Berichterstattung in ihrer Heimat zum Sicherheitsrisiko geworden ist. Neben den regierungstreuen Medienholdings existieren zwar oppositionelle Strukturen, die noch senden. Sowohl unabhängige Onlinemedien als auch Youtube-Kommentator:innen analysieren die politische Lage weiterhin in Eigenregie. Doch ihr Spielraum wird zunehmend kleiner.