Pylos: Strafverfahren gegen griechische Küstenwache

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Es war eine der tödlichsten Tragödien im Mittelmeer in den letzten Jahrzehnten: Am 14. Juni 2023 sank unweit der griechischen Hafenstadt Pylos ein Fischkutter voller flüchtender Menschen. Von den über 700 Personen an Bord der «Adriana» haben nur 104 die Katastrophe im Ionischen Meer überlebt – mehr als 600 sind in den Fluten ertrunken (siehe WOZ Nr. 20/24).

Dass die Handlungen der griechischen Küstenwache überhaupt erst zum Schiffbruch führten, haben diverse internationale Organisationen und Medien akribisch dokumentiert: Nicht nur haben die Behörden dem heillos überfüllten Boot über Stunden beim Sinken zugeschaut; mit dem Versuch, ein Abschleppseil an Bord der «Adriana» zu befestigen, sollen sie es zum Kentern gebracht haben. Zwei Jahre nach der tödlichen Tragödie hat dies offenbar auch das Seegericht in Piräus erkannt: Laut einer Mitteilung mehrerer NGOs, die Überlebende und Angehörige der Opfer juristisch beraten, hat die Staatsanwaltschaft nach Abschluss von Vorermittlungen ein Strafverfahren gegen siebzehn Mitglieder der griechischen Küstenwache eröffnet.

Zu den Angeklagten zählen Kapitän und Besatzung der «PPLS 920», der damalige Chef der Küstenwache sowie der Leiter der Seenotrettungszentrale und zwei diensthabende Offiziere. Nicht weiter ermittelt wird hingegen gegen vier weitere Beteiligte, darunter den heutigen Küstenwachechef, der damals ebenfalls direkt in den Schiffbruch involviert gewesen sein soll. Zur Last gelegt werden den Beschuldigten diverse schwere Vergehen, dem Kapitän etwa die Verursachung des Schiffbruchs, ein gefährlicher Eingriff in den Schiffsverkehr mit vielfacher Todesfolge sowie unterlassene Hilfeleistung. Die Besatzung ist wegen «einfacher Mittäterschaft» angeklagt, die anderen Involvierten, weil sie Menschen einer lebensgefährlichen Situation ausgesetzt haben sollen. «Ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit und der Rechenschaftspflicht gegenüber den Opfern», schreiben deren Vertreter:innen in der Mitteilung.

Dass es tatsächlich zum Prozess kommt, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Als Nächstes muss die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse der Voruntersuchung begutachten – und entscheiden, ob die siebzehn Mitglieder der Küstenwache vor Gericht zu stellen sind. Dass sie die vier weiteren Involvierten hingegen entlastet, wollen die Opfervertreter:innen nicht hinnehmen: Sie haben angekündigt, gegen den Entscheid zu rekurrieren.