Im Dreifrontenkrieg
«Es gab keine anderen Fotograf:innen weit und breit. Ich hatte nun einen Krieg ganz für mich allein.» Das schrieb Lee Miller im Sommer 1944 aus der umkämpften französischen Stadt St. Malo. Nachdem sie eine Reihe heute ikonischer Fotografien geschossen hatte, wurde sie von der US-Armee evakuiert: Keine Frauen an vorderster Front, das war die eiserne Regel.
Martha Gellhorn und Margaret Bourke-White, die beiden anderen Kriegsreporterinnen in Luzia Schmids Dokumentarfilm, erlebten Ähnliches. Gellhorn, die zuvor aus Italien über den Weltkrieg berichtet hatte, verlor ihre Akkreditierung ausgerechnet zum D-Day – und zwar an ihren Gatten, Ernest Hemingway, der sich zum siegreichen Kriegsende auch noch als Reporter an der Front zeigen wollte. Als Gellhorn dann heimlich mit einem Lazarettschiff nach Europa reiste, wurde sie dort zuerst in einem Krankenhaus festgehalten. Bourke-White wiederum war zwar als erste Fotojournalistin bei der US Air Force akkreditiert, musste aber lange Flugzeuge und Soldaten am Boden fotografieren, während ihre männlichen Kollegen an Kampfeinsätzen teilnehmen konnten und so zu viel spektakuläreren Bildern kamen. Erst nach zähem Ringen durfte sie auch einmal mitfliegen.
«Trained to See. Three Women and the War» erzählt die Erlebnisse dieser drei Pionierinnen ausschliesslich in deren eigenen Worten: mit Ausschnitten aus Briefen, Tagebüchern, Reportagen; unterlegt mit bewegten und unbewegten Originalbildern. Daraus ergibt sich eine aufschlussreiche Nahaufnahme der dreifach ausserordentlichen Lage, in der sie sich als Frauen befanden: im Clinch mit Ehemännern, mit den sexistischen Restriktionen der Armeen, mit der Mühsal, den Traumatisierungen des Krieges, der ihnen trotz allem auch die Chance bot, aus Geschlechterrollen auszubrechen. Im Nachspann lesen wir, dass Lee Millers Sohn erst durch einen Zufall von der Vergangenheit seiner Mutter als Kriegsfotografin erfuhr.
«Trained to See. Three Women and the War». Regie: Luzia Schmid. In: Solothurn, Landhaus, Do, 19. Januar 2023, 15 Uhr, und Konzertsaal, Sa, 21. Januar 2023, 9 Uhr.