Am Feuer, im Fluss
Sommernachtsdiskussionen bei Feuer und Wasser. Man ist sechzehn oder Mitte dreissig, hat vielleicht gekifft oder getrunken, oder aber man ist erst zehn und sagt trotzdem etwas. Man ist sich seiner Meinung nicht sicher und möchte trotzdem gehört werden.
Wenn ein Feuer, das nicht brennt, kein Feuer ist, was ist es denn, was ein Film tut, ohne das er kein Film wäre? Er bildet ab. Beziehungsweise zeigt er, was die Kamera mittels optischer, mechanischer oder auch digitaler Prozesse eingefangen hat. Deshalb ergibt die scharfe Trennung zwischen Dokumentar- und Spielfilm auch so wenig Sinn: weil jedes Bild immer real und inszeniert zugleich ist. Wenn eine Debatte zu sehr ausartet, wenn jemand (oft, aber nicht immer ein Mann) zu fest auf seiner Position beharrt, steht dann vielleicht jemand anderes (oft, aber nicht immer eine Frau) auf und läuft davon. Als «Füür brännt» an der Duisburger Filmwoche lief, sagte dort jemand den wunderschönen Satz: «Rechthaben ist unpoetisch.» Er passt hier perfekt.
Lange legt «Füür brännt» von Michael Karrer nicht offen, ob sich das, was er zeigt, spontan abspielt oder von unsichtbarer Hand inszeniert ist. Was aber von Anfang an auffällt, ist, wie «echt» all diese Gruppenmomente wirken. Wie bekannt einem Menschen und Situationen vorkommen. Wie leicht man sich selbst in die Stimmungen, Spiele, Verhältnisse und Konflikte hineindenken oder -erinnern kann. Passiert das nicht obschon, sondern weil hier der Realität nachgeholfen wurde? Weil diese geplant, geübt, improvisiert, gelebt und nachgespielt wurde, abende- und nächtelang, bis alle vergessen hatten, dass sie Filmfiguren geworden sind, die den eigenen Namen tragen?
Die Tatsache, dass es kaum eine Rolle spielt, was gesprochen wird, öffnet Augen und Ohren für das Wie. Für Tonfall, Körpersprache, Grammatik, Ironie, Poesie und ihr Gegenteil. Dafür, dass keine Gruppe ohne unsichtbare dynamische Hierarchien auszukommen scheint, und dafür, dass gewisse Menschen (oft, aber nicht immer Männer) aus verschiedenen Gründen lieber wie Idioten dastehen, als sich verletzlich zu zeigen.
«Füür brännt». Regie: Michael Karrer. In: Solothurn, Palace, Fr, 19. Januar 2024, 18 Uhr, und Landhaus, So, 21. Januar 2024, 9.15 Uhr.