«Linke machen es sich oft zu leicht» Paul Poet nähert sich einer Reizfigur: Monika Donner, ehemaliger Elitesoldat, wurde als trans Frau zum Idol der Verschwörungsszene.

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Filmstill aus «Der Soldat Monika»: Superheldin in comichafter Szene
Als Superheldin in comichaften Szenen lebt der «Soldat Monika» erotische und militärische Allmachtsfantasien aus. Still: Freibeuterfilm

WOZ: Paul Poet, wie sind Sie auf Monika Donner gestossen, die kontroverse Protagonistin Ihres Dokuspielfilms «Der Soldat Monika»?

Paul Poet: Eigentlich ist sie mir in den Schoss gefallen. Ich wurde vom österreichischen Fernsehsender Puls 4 eingeladen, eine künstlerische Aufarbeitung von Verschwörungstheorien zu gestalten. Monika Donner war in dieser Szene damals eine schillernde Figur. Ich bin unbedarft mit einem Kamerateam in ihrer Wohnung aufgetaucht. Und dann stand diese zwei Meter grosse Schwarzenegger-Walküre in High Heels mit langen roten Fingernägeln und wallenden Haaren vor mir und präsentierte mir eine Nachbildung der beiden Türme des World Trade Center aus Pappmaché, auf die sie einen Spielzeugflieger zusteuerte. Ich war fassungslos und dachte mir, das ist mein absoluter John-Waters-Moment. Der Himmel hat mir diese «Divine von rechts» geschickt!

Frage: Divine war die Dragqueen, die für den Filmemacher John Waters zur Muse wurde.

Paul Poet: Trotz unserer ideologisch komplett konträren Positionen hat es dann sofort gefunkt.

Frage: Für viele ist es eine politische und moralische Frage, ob man mit Rechten und Verschwörungstheoretiker:innen reden soll. Sie beantworten sie eindeutig mit Ja.

Paul Poet: Ich habe generell ein Problem mit der linken Aufarbeitungskultur der vergangenen Jahre. Der ganze Klicktivismus, andere Menschen in Sekunden einzuordnen und auszusortieren, das ist für mich per se rechts. Für mich bedeutet linke Glaubwürdigkeit, einen radikalen Humanismus zu leben – natürlich auch in meinen Begegnungen mit Menschen, die rechte Positionen einnehmen. Monika Donner wäre in einer Machtposition wahrscheinlich hochgefährlich. Aber gleichzeitig ist sie ein unglaublich empathischer, herzlicher, komplexer Mensch.

Portraitfoto von Paul Poet
Paul Poet Foto: Götz Schrage

Frage: In Ihrem Dokuspielfilm «Der Soldat Monika» tritt aber auch der rechtsextreme Publizist Gottfried Küssel auf, ein Holocaustleugner, der wegen NS-Wiederbetätigung und Verhetzung elf Jahre im Gefängnis sass.

Paul Poet: Mit Küssel verbindet mich eine persönliche Geschichte. Ich gehörte als linker Punk der Gründergeneration des Wiener Clubs Flex an, war lange Türsteher dort, auch als es Strassenschlachten mit Neonazis gab. Eines Abends, als es besonders wild zuging, wurde die Tür von der Polizei aufgebrochen, die sich aber nicht um die Neonazis kümmerte, weil sie zu Küssel, der dabei war, offensichtlich ein nahes Verhältnis hatte. Stattdessen steckte mir ein junger Polizist eine Pistole in den Mund. Für mich war es also eine grosse Herausforderung, Küssel plötzlich nach so langer Zeit wieder gegenüberzustehen und ruhig Blut zu bewahren.

Frage: Es gibt im Film eine Szene, da taucht Küssel unangemeldet bei einem Covid-Verschwörungstreffen auf. War das Zufall?

Paul Poet: Ja, für mich war das ein gruseliger Schlüsselmoment. Einfach weil man sieht, wie schnell eine Szene, die nicht per se rechts ist, vereinnahmt werden kann. Das waren keine Glatzennazis mit Runentattoos, sondern Küssel ist als netter älterer Herr aufgetreten, ein Durchschnittstyp, der nicht bedrohlich wirkt. Das war ein Schildbürgerstreich, sich so ganz ohne Kontext als Massnahmenkritiker zu geben.

Frage: Er bekam Applaus. Wussten die Leute nicht, wer da vor ihnen steht?

Paul Poet: Nein, das ist ja das Problem unserer Zeit, dass Geschichte einfach entfernt wird. Es geht nur um Impact und Emotionalität – und eben nicht um Aufarbeitung der Vergangenheit. Das war auch ein Grund, warum ich «Der Soldat Monika» gemacht habe. Wäre Monika Donner nicht damals noch als Toni zum Militär gegangen, wäre sie höchstwahrscheinlich wie ihr Hooligan-Jugendfreund «Bademantel», den sie im Film erstmals nach Jahrzehnten wiedersieht, in der Privatarmee von Küssel gelandet. Die beiden hatten sich lange aus den Augen verloren. Die Pandemie hat alle wieder zusammengebracht.

Frage: In Ihrem Film verkörpern Schauspieler:innen Personen aus Donners Leben. Bisweilen wirkt das wie eine Familienaufstellung. Warum dieser therapeutische Aspekt?

Paul Poet: Patrick Wagner, der Sänger des Berliner Wut-Wave-Trios Gewalt, das ja im Film auch auftritt, hat das schön auf den Punkt gebracht: Es ist weniger ein Film über die Lebensgeschichte von Monika Donner, sondern einer über die aktuelle Zerrissenheit unserer Welt. Donners Geschichte, der ich vier Jahre lang filmisch gefolgt bin, wird zur Metapher für die Gegenwart. Wir müssen wieder mehr der Ambiguität, der Uneindeutigkeit und Vielschichtigkeit von Menschen gerecht werden. Auch das Dilemma umarmen, in dem wir uns befinden. Nicht wie Elon Musk oder Donald Trump über alles hinwegtrampeln.

Filmstill aus «Der Soldat Monika»: Monika Donner als Soldatin
Wegen Hooligan-­Vergangenheit aus der LGBTIQ+-Szene verstossen: Monika Donner. Still: Freibeuterfilm

Frage: Aber Ihre Protagonistin hat sich doch wahrscheinlich gefreut, dass Donald Trump jetzt wieder US-Präsident ist.

Paul Poet: Nur beim ersten Mal. Da war sie noch Fan. Aber durch meinen therapeutischen Ansatz hat sie auch einiges in ihrem Leben aufgearbeitet. Das war sehr intim und schwer für sie. Wir mussten die Dreharbeiten deshalb einige Male unterbrechen. Politische Powerplayer hat sie immer fetischisiert, egal aus welcher Ecke – von Donald Trump bis zur Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie hat sich in politischen Maulhelden selbst widerspiegelt gesehen, in ihrem eigenen Kampf um Empowerment. Sie hat lernen müssen, wo dieses Selbstbild von ihr toxisch wird. Wir hatten während der Dreharbeiten einen wilden Streit über Trump, den sie als Underdog und Kämpfer für Gerechtigkeit gegen den «deep state» gesehen hat. Ein schwerreicher Mann, der sich plötzlich als Robin Hood inszeniert und dabei selbst bodenlos korrupt ist. Mittlerweile schreibt sie ein kritisches Buch über Trump, das sich mit dem Attentat auf ihn beschäftigt. Sie als Soldatin glaubt erkannt zu haben, dass es sich um eine Inszenierung handelte. Sonst wäre sein Ohr komplett zerfetzt worden.

Frage: Ihre Protagonistin ist schwer zu fassen.

Paul Poet: In der Pandemie wurde sie durch ihren Buchbestseller «Corona-Diktatur. Wissen, Widerstand, Freiheit» plötzlich zum Star der Verschwörungsszene. Als die Pandemie dann vorbei war, wurde sie von den rechten Medien aber schnell wieder aussortiert als lesbische trans Frau. Wir haben im Film zufällig ihren Aufstieg und Fall in dieser Szene in Echtzeit festhalten können. Und waren ein wichtiger Rückenstärker für ihre Selbstaufarbeitung.

Frage: Gegen Ende treten eine linke Trans-Aktivistin und eine Politologin auf, die das Gespräch mit Donner suchen. Wollten Sie eine dezidiert kritische Perspektive einbauen?

Paul Poet: Ich wollte unbedingt einen Dialog erzeugen. Für Monika war «links» zu dem Zeitpunkt eine reine Projektionsfläche, die nur negativ aufgeladen ist. Dabei hat sie zehn Jahre lang selbst die Grüne Partei gewählt, war Teil der LGBTIQ+-Szene in Wien und kämpfte als Aktivistin für eine Gesetzesänderung, die es möglich machte, das Geschlecht im Geburtenbuch ohne verpflichtende geschlechtsangleichende Operation zu korrigieren. Bis sie aus der Szene verstossen wurde, weil sie davor ein rechter Hooligan gewesen war. Ich wollte eine positive Auseinandersetzung in die Wege leiten mit zwei Schlüsselfiguren der linken Wiener Szene, die anfangs auch unsicher waren, ob sie diesen Austausch wirklich wollten. Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl und Nathalie Rettenbacher, Trans-Sprecherin der Linken, führen ein Gespräch mit Monika – die mit der Analyse der beiden tatsächlich etwas anfangen kann.

Frage: Sie wehrt sich gegen die Zuschreibung «rechts», kann aber mit «rechtslibertär» gut leben.

Paul Poet: Ich wollte ursprünglich einen Film über den aktuellen Rechtsruck machen. Warum das so ein Massenphänomen geworden ist und so viele einst linke Strukturen plötzlich von rechts vereinnahmt werden. Im Rahmen meiner Recherche habe ich ein ekelhaft hetzerisches rechtes Rundmail erhalten – vorangestellt war völlig ernst gemeint ein Zitat aus einem Tocotronic-Song. Also nicht die Zillertaler Türkenjäger oder Ähnliches, was man erwarten würde.

Frage: Donald Trump hat ja im Wahlkampf auch zu «Y. M. C. A.» getanzt, einer Hymne der schwulen Subkultur.

Paul Poet: Ja, es ist faszinierend, wie skrupellos sie sich alles einverleiben. Für mich ist das oft erschreckend: Meinen Film «Ausländer raus! Schlingensiefs Container» von 2002 habe ich bei einigen Identitären im Bücherregal gesehen. Sie studieren künstlerische Strukturen sehr genau, um zu sehen, was funktioniert. Beim Screening an der Berliner Volksbühne haben mich zwei Identitäre über Schlingensief ausgefragt. Für mich ist das ein Kulturkampf, mit dem ich mich beschäftigen muss, damit mir meine künstlerische Methode nicht weggenommen wird. Die Rechten sind gut darin, Dinge und Worte zu annektieren, zu entmächtigen und neu aufzuladen. Alles wird zu Ideologieware und Propaganda. Als linker Künstler muss ich mir vieles wieder zurückerobern. Die Linken machen es sich oft viel zu leicht mit einem starren Blickwinkel.

Frage: Wie meinen Sie das?

Paul Poet: Der deutsche Jurist, Autor, Schauspieler und Kritiker Dietrich Kuhlbrodt hat einmal gesagt, man müsse rechts im Kopf durchgespielt haben, um sicher sagen zu können, dass man es nicht ist. Genau diese provokativen Gedankenspiele, die man durchleben muss, haben mich schon bei Schlingensief fasziniert, der mir ein wichtiger Mentor war und mich mit seinen sozialen Plastiken nach wie vor prägt.

Frage: Zurück zum Film: Hatten Sie keine Angst, von den Rechten instrumentalisiert zu werden?

Paul Poet: Dafür ist mein Film zu komplex, zu widersprüchlich. Es gibt diese comichaften Szenen, in denen Monika als Superheldin auftritt, das sind ihre Träume, in denen sie erotische und militärische Allmachtsfantasien auslebt. Aber auch da habe ich Widerhaken eingebaut: Wenn Monika hofft, von Putin erlöst zu werden, wendet dieser die Waffe gegen sie. Das ist mein Kommentar. Die Schauspielerin Maria Hofstätter war kurz komplett überfordert damit, Monikas Mutter zu spielen und dabei Monikas echter Mutter persönlich zu begegnen. Aber diese permanente Überforderung, wie es bei Schlingensief ja auch immer der Fall war, erzeugt durch diese Unsicherheit einen Blick in die Wahrheiten und echten Emotionen dahinter.

Frage: Haben Sie beim Filmschnitt provokante Szenen entfernt?

Paul Poet: Ich habe nichts beschönigt, mein Film möchte ein ständiges emotionales Wechselbad sein. Monika mag eine toxische Narzisstin sein, aber zugleich ist sie auch eine sehr fürsorgliche, liebevolle Person. Bei den Dreharbeiten gab es komplizierte Phasen; vor allem, als Gottfried Küssel plötzlich auftauchte, sind einige Darsteller:innen aus dem Team abgesprungen, was ich durchaus verstehen kann. Wir wussten damals nicht, in welche Richtung sich alles bewegt. Und Monika liebt die Provokation. Auch die Idee, dass sie am Anfang ein frühes Gedicht von Adolf Hitler vorliest, kam von ihr. Gleichzeitig ist sie mehr denn je bestärkt, ihren eigenen Weg zu gehen, nicht mehr so stark an politische Gruppen anzudocken oder Ersatzfamilien zu suchen.

«Der Soldat Monika». Regie: Paul Poet. In: Solothurn Canva, So, 26. Januar 2025, 12.15 Uhr.

«Sympathisch unsympathisch»: Podium mit u.a. Paul Poet. in: Solothurn Kino im Uferbau, Mo, 27. Januar 2025, 13.30 Uhr.

Paul Poet

Geboren 1971 in Saudi-Arabien, war Paul Poet zunächst als Veranstalter, DJ und Musiker in der Wiener Undergroundszene tätig. Dabei lernte er auch Christoph Schlingensief kennen, über dessen Aktion «Bitte liebt Österreich» er dann seinen ersten Langfilm als Regisseur drehte: «Ausländer raus! Schlingensiefs Container» (2002). Für die Produktionsfirma von Ulrich Seidl arbeitet Poet derzeit an einer Verfilmung von «Der Minusmann», dem Lebensbericht des Wiener Kriminellen Heinz Sobota.

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