Liz Truss: Mit 0,2 Prozent an die Macht

Seit heute hat Grossbritannien eine neue Regierungschefin: Liz Truss ist die vierte konservative Premierminister:in in Folge. «Ich weiss, dass unsere Überzeugungen im Land auf Resonanz stossen», sagte Truss nach ihrer Wahl. Das ist eine gewagte Aussage, die doch stark relativiert werden kann: Immerhin war es nicht das Land, das Truss gewählt hat – es waren die Tory-Parteimitglieder. 81 326 Leute, um genau zu sein: So viele Partei­gänger:in­nen haben Liz Truss ihre Stimme gegeben und sie damit zur neuen Regierungschefin gekürt. Das sind deutlich weniger als 0,2 Prozent der gesamten britischen Wähler:innenschaft.

«Ich habe als Konservative Wahlkampf gemacht, und ich werde als Konservative regieren», sagte sie weiter. An dieser Aussage hingegen ist faktisch nichts zu bemängeln. Aber daraus folgt offensichtlich auch: Wer bloss einen winzigen Teil der britischen Bevölkerung umwerben muss, um ins höchste Amt gewählt zu werden, der braucht sich nicht um den Rest des Landes zu kümmern. Ihren Wahlkampf baute Truss auf den heiligen Kühen des libertären Konservatismus auf: tiefe Steuern, Deregulierung, wenig Staat. Das sind ihre Antworten auf die ächzende Infrastruktur des Landes und den dramatischen Anstieg der Energierechnungen.

Angesprochen auf ihre Pläne zur Bekämpfung der Krise der Lebenshaltungskosten, sagte sie am Sonntag, dass Steuersenkungen die richtige Antwort seien. Lässt sich das durch Zahlen belegen? Lässt sich nicht: Ihre geplante Senkung der Sozialversicherungsbeiträge beispielsweise wird laut einer Kalkulation den Höchstverdiener:innen rund 1800 Pfund pro Jahr bescheren – den Leuten am untersten Ende der Einkommensskala hingegen mickrige 7 Pfund. Aber Truss findet: «Das ist fair.»  Zur Erinnerung: «Fair» bedeutet laut Duden «gerecht im Verhalten gegenüber anderen». Dies ist also die Gerechtigkeit, die Liz Truss vorschwebt: Steuervorteile für die Reichen.

Um wieder zur Behauptung zurückzukehren, dass ihre Überzeugungen im Land gut ankommen: Ein Blick in die Zahlen sagt etwas anderes. Laut einer neuen Umfrage haben gerademal 14 Prozent der Briten das Gefühl, dass Liz Truss eine Verbesserung gegenüber ihrem Vorgänger Boris Johnson darstellt. 67 Prozent sagten, sie sind nicht zuversichtlich, dass sie die kommende soziale Krise bewältigen wird.
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.