Elon Musk gibt und nimmt

Er ist ein Meister der kommunikativen Verwirrung. Elon Musk, reich an Geld und blinder Gefolgschaft auf dem ganzen Planeten, spielte immer schon gern gleichzeitig auf den Klaviaturen der albernen Internet-Meme-Kultur und der eiskalt berechnenden Machtpolitik. Nie schien ganz klar, was als luftiger «Witz» und was als bierernste politische Selbstverortung zu verstehen war. Dass er sich seit langem nicht mehr einzig bei Techjünger:innen anschmiegt, sondern auch rechtslibertäre Narrative bedient, ist hinlänglich bekannt. Als Twitter-Besitzer lässt er nun aber die letzten Uneindeutigkeiten verfliegen.

Angetreten war er mit dem Versprechen, die freie Meinungsäusserung auf die Plattform zurückzubringen; in dieser Hinsicht sei er ein «Absolutist». Mittlerweile ist aber klar, dass Musks Absolutismus vor allem darin besteht, die gesamte Diskursmoderation in der eigenen Person zu vereinen: Die vormals zuständigen Abteilungen hat er aufgelöst, das Profil von Ex-US-Präsident Donald Trump nach einer vorgeschobenen User:innenumfrage eigenmächtig entblockt. Letzte Woche verkündete er eine «Generalamnestie» für zuvor gesperrte Accounts. Das Recht auf freie Meinungsäusserung soll demnach auch Leuten wie dem Rapper Kanye West zustehen, der zuletzt mit einem Schwall antisemitischer Hassnachrichten auffiel.

Für manche mag es verlockend sein, Musks Geschwätz über die angeblich bedrohte Meinungsäusserungsfreiheit zu folgen; es baut auf der liberalen Erzählung auf, wonach in freien Gesellschaften auch Widerrede und roh geführte Debatten auszuhalten seien. Mittlerweile aber ist klar, dass selbst dies bloss vorgeschobene Fassade ist: In Wahrheit betätigt Musk sich nun als grosser Zensor, der rechtsextremen Einflüsterern ihre Wünsche erfüllt. Etwa dem Autor und Influencer Andy Ngo, der seit Jahren eine schrille Anti-Antifa-Kampagne führt und auf dessen Hinweis hin mehrere linke Accounts von Twitter verbannt wurden.

Zum Beispiel jener des anarchoaktivistischen Kollektivs «CrimethInc.» aus Nordamerika. Vierzehn Jahre lang war das Profil unbehelligt geblieben von Sperren und Verwarnungen, offensichtlich hat es die Twitter-Richtlinien zur Genüge eingehalten. Nun aber hat der reichste Mensch der Welt spontan entschieden, dem Kollektiv den Mund zu verbieten. Und damit unmissverständlich gezeigt, was Meinungsfreiheit in seinem libertären Universum bedeutet: Der gütige Herrscher gibt sie, und er nimmt sie.

Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.