Auf die Tube drücken für Tempo 30!
Heute wollen wir uns mit einem verkehrspolitischen Thema beschäftigen. Anlass dazu gibt mir das Vorhaben des Städteverbands, Tempo 30 über Wohnquartiere hinaus auf weiteren Strassen zu etablieren.
Wie Sie vielleicht wissen, bin ich passionierter Fussgänger. Das allerdings befreit mich nicht davon, die Gegenargumente des Gewerbeverbands, der FDP und der SVP einem wissenschaftlichen Faktencheck zu unterziehen.
Gegenargument 1: Keine Erhöhung der Sicherheit aufgrund abnehmender Aufmerksamkeit.
Falsch! Studien belegen: Nach Einführung von Tempo 30 konnten Unfälle mit Personenschaden um 25 bis 30 Prozent reduziert werden.
Gegenargument 2: Keine Lärmreduktion durch mehr Stop-and-go und tiefere Gangschaltung.
Fehlschluss! Gemäss mehreren Studien reduzierte sich der Lärm im Durchschnitt um rund drei Dezibel.
Gegenargument 3: Mehr Staus auf Hauptachsen und dadurch mehr Abgasemissionen.
Widerspruch! Gemäss dem Forschungsbericht 2019 des schweizerischen Verkehrsinstituts hat eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde «meistens keinen massgeblichen Einfluss auf die maximale Anzahl Fahrzeuge pro Stunde».
Gegenargument 4: Mehr Ausweichverkehr in die Quartiere.
Fehldiagnose! Laut selbigem Forschungsbericht ist landesweit kein einziger solcher Fall dokumentiert.
Gegenargument 5: Verspätungen bei Feuerwehr, Sanität und Polizei.
Entwarnung! Bei «dringlichen oder taktisch notwendigen Dienstfahrten» erlaubt das Strassenverkehrsgesetz, Verkehrsregeln zu übertreten.
Gegenargument 6: Wirtschaftsfeindlichkeit.
Einspruch! Auch bei Tempo 30 ist das lokale Gewerbe bestens erreichbar, wie der Buchhändler meines Vertrauens bestätigt – für Fussgänger wie mich sogar deutlich besser. Der Zeitverlust für Autofahrer:innen ist überdies äusserst gering: fünfzehn Sekunden pro Kilometer. Ausserdem: Ein geringeres Tempo führt zu flüssigerem Verkehr.
Gegenargument 7: Zu hohe Kosten.
Unsinn! Unfall- und Lärmschutz sowie die Erhöhung der Lebensqualität sind zwar nicht gratis. Die Einführung von Tempo 30 muss aber nicht zwingend viel kosten – bauliche Massnahmen sind nicht unbedingt notwendig. Und vor allem: Gesundheitskosten in Milliardenhöhe können eingespart, Städte sinnvoll verdichtet und der Klimaschutz deutlich verstärkt werden.
Die Gegenargumente zu Tempo 30 erweisen sich bei genauem Hinsehen als Argumente für das Vorhaben. Fazit: Von Tempo 30 profitieren alle. Auf die Tube drücken und umsetzen. Jetzt.
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt die Dinge zurecht.
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