Wasser predigen, Palmwein trinken

«Ich weiss, sie tranken heimlich Wein / Und predigten öffentlich Wasser», heisst es in Heinrich Heines Langgedicht «Deutschland. Ein Wintermärchen». Heine war zwar gebürtiger Rheinländer, aber dass wer sich als Streiter für einen massvollen Lebenswandel exponiert, im Privaten besser entsprechend handeln sollte, hat sich inzwischen auch bis nach Schwaben herumgesprochen. Kein Wunder also, dass nun der Fall zweier bigotter Klima­aktivist:in­nen aus dem Raum Stuttgart Schlagzeilen macht.

Die beiden hatten im September eine Bundesstrasse blockiert und dabei ein Transparent mit der Parole «Öl sparen statt bohren» in den Händen gehalten. Die Polizei räumte die Blockade, eine Anzeige wegen Nötigung folgte, weswegen sich die Aktivist:innen im November hätten vor Gericht verantworten müssen. Zu diesem Termin erschienen sie aber nicht – stattdessen waren sie in die Ferien geflogen: nach Südostasien. Dass sie dort dem lokalen Palmwein gefrönt haben, ist zumindest nicht auszuschliessen. 

Fest steht: Der Boulevard im In- wie im Ausland echauffiert sich mächtig ob dieser Doppelmoral. «Prozess geschwänzt für den Badeurlaub» (ein Verhalten, das isoliert betrachtet als sogenannter Bossmove benannt werden kann), schreibt beispielsweise die «Bild»-Zeitung. Da es sich ­bei der genannten Publikation um ein ausgewiesenes Schundblatt handelt, gilt es selbstverständlich vorsichtig zu sein mit allzu eiligen Schlüssen. Ein Sprecher des Aktionsbündnisses «Letzte Generation» hat allerdings den Bericht nicht dementiert, sondern stattdessen die Ak­tivist:in­nen mit dem Argument verteidigt, dass sie den Flug «als Privatleute» und «nicht als Klimaschützer» gebucht hätten: Das müsse man «auseinanderhalten können». 

Bei aller Liebe: Da gibt es wenig auseinanderzuhalten, die beiden Blockie­rer:in­nen haben dem Kampf gegen die Klimakrise mit ihrem Verhalten einen Bärendienst erwiesen. Wer sich aber jetzt allzu fest empört, sollte sich vielleicht dennoch fragen, ob er selbst wirklich immer konsequent handelt. Und überhaupt gilt: Nicht individuelle Konsumentscheidungen sind das Problem, sondern der fossile Kapitalismus im Ganzen.

Trotzdem kann man es sich in der Kritik der Konsumkritik auch ziemlich bequem machen. Vor ein paar Jahren hat das übrigens ein zeitgenössischer Dichter treffend formuliert. In einem Song des Berliner Rapduos Zugezogen Maskulin heisst es: «Ich trinke nur Coca-Cola, Gewerkschafterblut / Es gibt nix Richtiges im Falschen, deshalb schmeckts mir auch so gut.» Sowohl Adorno als auch Heine hätten diese hintersinnigen Verse vermutlich gut gefallen.

Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt die Dinge zurecht.