Hanau: Drei Jahre, aber Karneval
«Das Innenleben und die Entwicklung des Täters interessieren mich nicht», sagte am vergangenen Wochenende in Augsburg die iranisch-deutsche Schriftstellerin Asal Dardan an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau. «Was mich interessiert, ist, wie geschickt der Täter aus Hanau zum Anderen gemacht wurde, ausgelagert wurde von einer Gesellschaft, die nun drei Jahre nach seiner Tat die Frage verdient: Warum seid ihr so sicher, dass er mit euch nichts zu tun hat?», fuhr sie fort und prangerte damit den tief verwurzelten Rassismus in Deutschland an.
Sie ist mit ihren Gedanken nicht allein.
An unzähligen Veranstaltungen, verteilt übers ganze Land, wurde am Sonntag der neun jungen Menschen gedacht, die am 19. Februar 2020 ermordet worden waren. Und: Die Anwesenden forderten lückenlose Aufklärung der Taten und Konsequenzen, die daraus gezogen werden sollen.
In Hanau selbst fand am Wochenende eine grosse Gedenkveranstaltung statt, an der sich 500 Teilnehmer:innen eingefunden hatten, darunter nahe Angehörige der Opfer, Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky, Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein. In einer bewegenden Rede sagte Ajla Kurtović, Schwester des ermordeten Hamza Kurtović: «Wir vermissen klare Antworten, Aufklärung und Konsequenzen. Warum sorgt der Untersuchungsausschuss im Landtag nicht neutral für Aufklärung, statt immer wieder staatliche Behörden zu verteidigen?»
Die sogenannte Mehrheitsgesellschaft scheint an diesen Fragen nicht sonderlich interessiert: Nach drei Jahren – coronabedingter – Unterbrechung fand in Hanau am Wochenende auch wieder der traditionelle Karneval statt. Dass der Faschingssonntag dieses Jahr genau auf den dritten Jahrestag des Anschlags fallen würde, sorgte in den letzten Monaten für Diskussionen. Die Stadtverwaltung hatte im Vorfeld mit den Angehörigen der Opfer und den Karnevalsvereinen im Austausch gestanden und sich für die Durchführung entschieden.
Eine Verschiebung des Umzugs sei aufgrund von Terminkollisionen nicht möglich gewesen. An den Wochenenden davor und danach würden nämlich die Umzüge in den Nachbargemeinden stattfinden. Bei der Streckenführung rang man sich dann doch zu Rücksicht auf die Trauernden durch: Die Tatorte der Anschläge, insbesondere der Hanauer Heumarkt, wurden gemieden. Ganz auf den Umzug verzichten wollte man aber nicht.«Das muss man auch aushalten können», liess Oberbürgermeister Kaminsky gegenüber der «Frankfurter Rundschau» verlauten.
Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.
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