Heucheleyen!

Haben Sie es überhaupt mitgekriegt? Oder sind wir alle vollends abgestumpft?

Vor der süditalienischen Küste ist am Sonntag ein Boot mit über 200 Geflüchteten gekentert. Es war zuvor bei der südwesttürkischen Stadt Izmir in See gestochen. Gemäss der italienischen Küstenwache ist es kurz vor Erreichen des Ufers der kalabresischen Provinz Crotone gegen Felsen geprallt und zerschellt. Bis anhin konnten 80 Personen lebend geborgen werden. Fest steht aber auch: Für mindestens 65 Menschen endete das Unglück tödlich, unter ihnen 11 Kinder und ein Baby.

Ist das unsere neue Normalität?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat noch am selben Tag ihre Anteilnahme kundgetan, indem sie schrieb: «Ich bin zutiefst betrübt über das schreckliche Schiffsunglück vor der Küste Kalabriens. Der daraus resultierende Verlust des Lebens unschuldiger Migranten ist eine Tragödie.» Da diese Tragödie die reale Folge der europäischen Flüchtlingspolitik ist, wird sie schon bald wieder kondolieren müssen. Ein unerträgliches Trauerspiel!

Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi seinerseits macht die Ursache dafür, dass seit 2014 über 25'000 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken sind, ganz woanders aus: «Das Einzige, was gesagt und wiederholt werden muss: Ihr dürft nicht fliehen. Bleibt zu Hause!», blaffte er bei seinem Besuch in Kalabrien vor versammelter Presse. Schützenhilfe bekam er von der neofaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die verlauten liess: «Es ist kriminell, ein kaum zwanzig Meter langes Boot mit 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken.»

Die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch stellte auf Twitter klar: «Europa lässt Menschen ertrinken. Das Schiffsunglück ist die unmittelbare Folge einer EU-Grenzpolitik, die Menschen auf immer längere & gefährlichere Fluchtrouten zwingt.» Mit Bezugnahme auf die europäische Abschottungspolitik schrieb sie weiter: «Dass Verantwortliche wie von der Leyen Mitleid heucheln, täuscht nicht darüber hinweg, dass politisch forcierte Abschottung jährlich Tausende Tote einkalkuliert.»

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.