Im Zweifel für die Angeklebten

Deutschlands zuletzt mal wieder komplett rotierendes Wutbürgertum darf sich freuen: In Heilbronn wurden gestern die ersten Gefängnisstrafen gegen zwei «Klimakleber» verhängt. Zwei und drei Monate Haft ohne Bewährung, wegen «Nötigung».

Nach der medialen Terroristenkeule schlägt nun also auch der Arm des Gesetzes gegen die Letzte Generation zu. Als solche bezeichnen sich die strikt gewaltfreien Ak­tivist:in­nen, weil sie sich zur letzten Menschheits­generation zählen, die den globalen Klima­kollaps noch aufhalten könne.

Möglichst öffentlichkeitswirksam preschen sie in den zähen Gang des gesellschaftlichen Alltags, indem sie etwa Kunsteinrichtungen mit Suppe oder Kunstfarbe besudeln, die sich im Nu wieder spurlos beseitigen lassen. Und bewundernswerterweise exponieren sie sich auch an Orten, wo fragilste Maskulinität gern zu Wut und Hass gerinnt: an Fussballspielen und im Autoverkehr.

Womöglich ist es strategisch nicht allzu schlau, Menschen auf der Strasse in ihrem Alltag zu stören, der oft ganz einfach darin besteht, unter Zeitdruck präkarisierter Lohnarbeit nachzugehen. Gleichzeitig werden Strassen­blockaden aber tagtäglich schulterzuckend hingenommen – wenn sie nämlich von der «normalen» Sorte sind, weil sich viel zu viele Autos gegenseitig im Weg stehen. Warum also hyper­ventilieren?

Ich weiss es: Der Letzten Generation schwappt diese hasserfüllte Verachtung entgegen, weil insgeheim alle wissen, dass die Ak­tivist:in­nen im Grunde absolut recht haben, wenn sie sich dem ungebremsten Lauf der Dinge in den Weg kleben. Umso brachialer müssen sie deshalb niedergeschrien werden.

Das Urteil von Heilbronn ist noch nicht rechtskräftig, aber es dürfte erst der Anfang gewesen sein. Bald drohen weitere drakonische Strafen gegen Klima­aktivist:innen – gefolgt von der bierernsten Häme jener selbst­gerechten Pöbler:innen, die weiterhin bloss eine symbolische Busse werden bezahlen müssen, wenn sie ihren monströsen SUVs mal wieder auf der Fahrrad­spur parkieren.

Ich mag mit der Letzten Generation nicht in allem einig sein – aber im Zweifel hat sie meinen Support.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.