Nothilfe-Flickwerk im Nationalrat
Eine «humanitäre Aktion» nennt er das: Am vergangenen Donnerstag beschloss der Nationalrat, rund 3000 Nothilfebezüger:innen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Für eine Umsetzung fehlt aktuell noch die Zustimmung des Ständerats. Die Motion zielt auf jene Bezüger:innen, deren Asylgesuch noch nach altem Recht abgelehnt wurde – vor Inkrafttreten der Asylgesetzrevision 2019.
Nothilfe erhält, wer zwar aus der Schweiz weggewiesen wurde, das Land aber nicht verlassen kann. Es gehe darum, «die letzten Narben des ineffizienten und langwierigen alten Asylverfahrens zu heilen», sagte der EVP-Nationalrat Niklaus-Samuel Gugger in der Debatte.
So erfreulich der Nationalratsentscheid ist, so verwunderlich ist diese Argumentation. Es ist ja nicht so, als wären die unmenschlichen Lebensbedingungen in der Nothilfe ein Fehler im System. Erklärtes Ziel ist, die Nothilfe so unerträglich zu gestalten, dass die Bezüger:innen das Land verlassen.
Politiker:innen sprechen in diesem Zusammenhang gern von der «Glaubwürdigkeit» des Asylsystems. Und haben damit nicht einmal unrecht: In den Nothilfeunterkünften werden Personen sozial isoliert, in extremer Armut gehalten, zu regelmässiger Anwesenheit verpflichtet und damit ihrer Freiheit beraubt. Und regelmässig von der Polizei besucht und verhaftet – wegen «illegalen Aufenthalts». So werden konsequent die Schweizer und die europäische Asylverhinderungspolitik weitergeführt. Hier zeigt sich direkt in unserer Nachbarschaft, wie viel Gewalt zulasten der «Unerwünschten» sie bedingt.
Die beschleunigten Verfahren ändern an dieser Anlage wenig, wie auch die Statistik belegt: Ende 2021 erfasste das Staatssekretariat für Migration (SEM) 972 Nothilfebezüger:innen, deren Asylantrag schon im neuen Verfahren behandelt worden war. Rund ein Viertel von ihnen galten zu diesem Zeitpunkt bereits als «Langzeitbeziehende».
Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt die Dinge zurecht.
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