Radikaler Wan­del für alle!

Von der Schweiz wissen wir, dass die Menschen durchaus Angst haben vor dem globalen Klimakollaps. So besagt es zumindest das Sorgenbarometer der Credit Suisse (keine Witze, bitte!), wo das Thema in den letzten Jahren stets ganz weit oben anzutreffen war.

Aber wir wissen auch, dass die Stimmberechtigten vor bald zwei Jahren Nein gesagt haben zu einem ziemlich harmlosen neuen CO2-Gesetz. Bei aller Furcht vor der Zukunft fragt sich also: Ist Klimapolitik eigentlich mehrheitsfähig?

Am Sonntag gab es dazu mal wieder einen Realitätscheck, diesmal in Berlin, wo über den «Klima-Volksentscheid» abgestimmt wurde. Die Weltstadt sollte bereits 2030 klimaneutral werden anstatt erst 2045, wie es das bestehende Gesetz vorsieht. Es wäre ein echter Paukenschlag gewesen.

Auch von links gab es kritische Stimmen. Mit schönen Zielen und Ankündigungen ist schliesslich noch überhaupt nichts erreicht, für echte Emissionsreduktionen wären krasse Massnahmen nötig – und es zeichnet sich ab, dass sich Berlins SPD-Bürgermeisterin Franziska Giffey bald mit der CDU gemein macht, um weiterregieren zu dürfen. Sofern sie den Volksentscheid also überhaupt hätte umsetzen wollen, dann wohl auf maximal antisoziale Weise.

Ja, eine knappe Mehrheit von fast 51 Prozent hat die Initiative schliesslich befürwortet. Aber nein, angenommen wurde sie trotzdem nicht: Mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten hätten ihr zustimmen müssen. Anstatt der nötigen 607'518 waren es jedoch nur 442'210 Ja-Stimmen. Glück oder Pech gehabt?

Tatsache ist, dass der Weltklimarat letzte Woche ziemlich genau das gefordert hat, was in Berlin hätte passieren sollen: radikaler Wandel, und zwar noch in diesem Jahrzehnt. Dass der nicht ohne Klassenkampf zu haben sein wird, ist klar – und weil dieser von oben eh schon lange betrieben wird, würde ich sagen: Nehmen wir ihn endlich an.

Das gilt natürlich ganz besonders für ein Land, das über Nacht ein paar Hundert Milliarden Franken für Bankenrettungen (keine Witze, bitte!) lockermacht: Soll keiner mehr behaupten, dass hier das Geld fehlt für jenen radikalen Wandel, der tatsächlich der Mehrheit zugutekommt.
Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.